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Toechter Aus Shanghai

Titel: Toechter Aus Shanghai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa See
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Amerikaner zu werden.«
    »Jetzt gibst du mir also die Schuld an allem, was passiert ist?«
    »Das will ich nicht sagen, Pearl.«
    Aber das hat sie doch gerade getan! Ich bin so wütend, dass ich nicht mehr richtig denken kann. »Ich will, dass du aus meinem Haus ausziehst«, zische ich. »Ich will dich nie wieder sehen. Niemals wieder.«
    »Du hast mir immer an allem die Schuld gegeben.« Mays Stimme ist ruhig, so ruhig .
    »Weil alles in meinem Leben, was schiefgegangen ist, an dir lag.«
    Meine Schwester sieht mich an und wartet, als sei sie bereit zu hören, was ich zu sagen habe. Wenn es nur das ist …
    »Baba liebte dich mehr als mich«, sage ich. »Er wollte neben dir sitzen. Mama liebte dich so sehr, dass sie dir gegenübersitzen wollte, damit sie ihre schöne Tochter betrachten konnte statt die mit dem hässlichen roten Gesicht.«
    »Du hattest schon immer die Rote-Augen-Krankheit«, sagt
meine Schwester naserümpfend, als seien meine Anschuldigungen völlig bedeutungslos. »Du warst immer schon eifersüchtig und neidisch auf mich, dabei warst du diejenige, die von Mama und Papa geliebt wurde. Wer liebte wen mehr? Ich will es dir sagen. Baba schaute dich gerne an. Mama wollte neben dir sitzen. Ihr drei habt euch nur in Sze Yup unterhalten. Ihr hattet eure eigene Geheimsprache. Ihr habt mich immer ausgeschlossen.«
    Das lässt mich kurz innehalten. Ich war stets der Meinung, sie hätten Sze Yup mit mir gesprochen, um May vor diesem oder jenem zu schützen, doch was wäre, wenn sie es als Liebesbeweis taten, um mir zu zeigen, wie viel ich ihnen bedeutete?
    »Nein!«, sage ich zu mir und zu May gleichermaßen. »So war das nicht.«
    »Du warst Baba so wichtig, dass er dich kritisierte. Mama warst du so wichtig, dass sie dir Perlencreme kaufte. Sie hat mir nie etwas Wertvolles geschenkt - keine Perlencreme, nicht ihren Jadearmreif. Dich haben sie aufs College geschickt. Mich hat keiner gefragt, ob ich hinwollte! Und obwohl du auf dem College warst - hast du etwas daraus gemacht? Schau dir deine Freundin Violet an! Sie hat etwas daraus gemacht, aber du? Nein. Alle kommen wegen der unbegrenzten Möglichkeiten nach Amerika. Auch dir boten sie sich an, aber du hast sie nicht ergriffen. Du warst lieber das Opfer, eine fu yen . Wieso ist es überhaupt wichtig, wen Baba und Mama mehr liebten oder ob ich dieselben Möglichkeiten hatte wie du? Sie sind tot, und das ist alles schon lange her.«
    Für mich ist es das jedoch nicht, und ich weiß, dass es auch für May nicht vorbei ist. Man bedenke nur, wie unser Konkurrenzkampf um die Liebe unserer Eltern sich in unserem Kampf um Joy wiederholt hat. Nachdem wir unser ganzes Leben miteinander verbracht haben, sagen wir nun endlich, was wir wirklich denken. Unser Wu-Dialekt wird abwechselnd laut und leise, schrill, beißend und vorwurfsvoll, während wir den ganzen Hass herauslassen, den wir auf die andere angesammelt haben. Wir geben einander die Schuld an jedem einzelnen erlittenen Unglück
und Schaden. Ich habe Sams Tod nicht vergessen, und May auch nicht, aber keine von uns kann sich zusammenreißen. Vielleicht ist es einfacher, sich um die Ungerechtigkeiten all der Jahre zu streiten, als sich mit Mays Verrat und Sams Selbstmord zu beschäftigen.
    »Wusste Mama, dass du schwanger warst?«, frage ich und spreche damit einen seit Jahren gehegten Verdacht aus. »Sie hat dich geliebt. Ich musste ihr versprechen, mich um dich zu kümmern, meine moy moy , meine kleine Schwester. Und das habe ich getan. Ich habe dich nach Angel Island gebracht, wo ich gedemütigt wurde. Und seitdem sitze ich in Chinatown fest, pflege Vern und arbeite hier im Haus, während du in Haolaiwu warst, zu Partys gegangen bist, deinen Spaß hattest und irgendwas mit den Männern gemacht hast.« Weil ich so wütend und verletzt bin, sage ich dann etwas, das ich auf ewig bereuen werde, aber es steckt so viel Wahrheit darin, dass es mir aus dem Mund fliegt, bevor ich es aufhalten kann. »Ich musste mich selbst dann um deine Tochter kümmern, als mein eigenes Kind starb.«
    »Du warst immer verbittert, weil du für Joy sorgen musstest, aber du hast alles in deiner Macht Stehende getan, um mich von ihr fernzuhalten. Als sie ein Baby war, hast du sie mit Sam in der Wohnung allein gelassen, und ich bin mit dir spazieren gegangen …«
    »Das war nicht der Grund.« (Oder war er es doch?)
    »Dann hast du mir und allen anderen die Schuld gegeben, dass du bei Joy zu Hause bleiben musstest. Doch wenn einer von uns

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