Toechter der Dunkelheit
kann ich nicht in Worte fassen.“
Zögernd öffnete sich Inani ihrem Bewusstsein, sie fürchtete, was sie gleich erfahren würde, doch Kythara spürte, das Mädchen musste es einfach wissen!
„Shora, du musst mir das Kind geben, du kennst das Ritual!“ Kythara runzelte die Stirn, sie war mehr als verärgert. Sie kannte Shora und Alanée jetzt schon so lange, diese beiden waren die letzten, von denen sie so etwas erwartet hätte! Ein Kind, das in der Hexennacht geboren wurde, musste vom Rat untersucht werden, ob es wirklich die Gabe der dunklen Göttin besaß. Erst dann wurde entschieden, wer es als Tochter aufnehmen würde. Shoras Anspruch, dieses Mädchen besitzen zu wollen, war irritierend genug. Ein schwerer Bruch der Traditionen, doch wenn sie nicht einmal zuließ, dass es vom Rat anerkannt wurde, musste Schlimmes vermutet werden.
Alanée flüsterte energisch auf ihre Freundin ein, und endlich gab Shora das Kind aus der Hand. Kythara sah verblüfft die Angst im Gesicht ihrer
langjährigen Freundinnen. Konnte es sein? War dies wirklich die Klinge der Göttin, die Kriegerin, die angekündigt worden war, um ein neues Zeitalter des Gleichgewichts einzuleiten? Oder steckte noch etwas anderes dahinter?
Zögernd starrte sie auf den schlafenden Säugling. Es kostete sie Überwindung, nach der jungen Seele zu greifen, um die schlummernden Kräfte des winzigen Mädchens zu prüfen. Was sie fand, ließ sie zurückschrecken. Beinahe hätte sie das Kind fallen gelassen, das war unmöglich! Legenden sprachen davon, doch niemand hatte je bestätigt, dass es so etwas wirklich gab.
„Shora, wo hast du sie gefunden?“, wisperte Kythara. Die magische Kraft einer gewöhnlichen Hexe bündelte sich in einem knotenartigen Geflecht unter ihrem Rippenbogen. Bei Neugeborenen war dieses Geflecht kaum größer als ein Sandkorn. Wenn die Kraft erwachte, wuchs das Geflecht heran und begann zu pulsieren, bis die Hexe voll ausgereift war. Dann zogen sich magische Energiestränge durch ihren ganzen Körper, dünne Fäden, ausschließlich für jene sichtbar, die selbst über Magie verfügten. Dieses Kind hingegen besaß nicht nur ein stilles, samenkornkleines Geflecht, überall in seinem Körper waren weitere magische Knoten sichtbar. Sie pulsierten, leuchteten hell wie kleine Sterne unter Kytharas Blick. Sie waren allesamt miteinander verbunden, der gesamte Leib war durchzogen von magischen Energiebahnen.
Die anderen Ratshexen drängten heran, betrachteten das Kind und reagierten nicht weniger erschrocken.
„Wir müssen sie töten, Kythara! Gewiss ist sie die Frucht einer verbotenen Verbindung zwischen einer Hexe und einem Priester, du kennst die Legenden!“
„Schweig, Kjelle. Du weißt, was ich von Legenden halte, ganz besonders von dieser!
Selbst wenn ein Priester und eine Hexe ein Kind zeugen sollten, was gewiss schon häufig genug geschehen ist, die Wahrscheinlichkeit, dass es in der Hexennacht zur Welt kommt, ist lächerlich gering. Dass dabei dann so etwas entsteht, halte ich für völlig ausgeschlossen.“
„Ich musste die Mutter vom Tod retten, Kythara. Es war ein Bauernmädchen, selbst noch fast ein Säugling, und sie besaß nicht einen Funken von der Gabe“, wisperte Shora. „Der Vater des Kindes soll der Schmied des Guts sein. Ich habe mich nicht vergewissert, doch es gab kein Anzeichen von hoher magischer Konzentration an diesem Ort. Selbst den Sonnenpriester konnte ich kaum wahrnehmen.“ Alanée nickte bestätigend.
„Und ich sage trotzdem, wir müssen sie töten! Keine Hexe darf über so viel Magie verfügen. Es würde nicht nur sie selbst umbringen, noch bevor sie lernt zu laufen und zu sprechen, sie könnte die halbe Welt dabei vernichten!“, rief Ylanka hitzig.
Kythara betrachtete das Mädchen, das mittlerweile erwacht war. Es lag ruhig in ihren Armen, vertrauensvoll erwiderte es den Blick. Zu ihrem Entsetzen spürte Kythara, wie sich das Bewusstsein des Neugeborenen nach ihr ausstreckte.
Dieser Säugling, dessen einziger Antrieb das Verlangen nach Nahrung, Wärme, Sicherheit und Schlaf sein sollte, griff magisch nach ihr!
Hastig legte sie das Mädchen auf den Boden nieder und schloss kummervoll die Augen. Wie sehr sie es hasste, Todesurteile auszusprechen, wenn es um Kinder ging! Doch sie war die Königin, von ihr wurde Stärke erwartet. Kythara strich heimlich über ihr Schlangenamulett, bevor sie sich aufrichtete und das Wort ergriff.
„Dieses Mädchen kann nicht in die Gemeinschaft der
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