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Toechter der Dunkelheit

Toechter der Dunkelheit

Titel: Toechter der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Balzer
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vermisst. Die Ungewissheit quälte sie mehr als es die Sicherheit des Wissens über seinen Tod vermögen würde.
    „Er kommt nicht zurück“, flüsterte Maondny und zeigte der Alten, wie der Junge aus Angst vor der Magie der Elfen bei einem Angriff zu den Klippen nördlich der Stadt geflohen war, und dann aus Scham vor seiner Feigheit ins Meer gesprungen war.
    Niemand überlebte diesen Sturz von über hundert Schritt in die Tiefe.
    Sie wartete nicht auf die Dankbarkeit der Menschenfrau, die an göttliche Gnade glaubte, sondern tastete sich weiter vor. Oberhalb des ersten Häuserrings, der in erster Linie von Wächtern bewohnt wurde, befand sich das Elendsviertel, durch besonders hohe Tore von der restlichen Stadt abgetrennt. Maondny berührte das Leben zweier Bettler, betrachtete danach interessiert die Träume eines Meuchelmörders, huschte durch die von stumpfer Gleichgültigkeit beherrschten Sinne einiger Huren, bevor sie durch das Gildentor entschlüpfte und in den Träumen eines Bäckers Zuflucht fand. Roen Orm war in eine Klippe hinein gebaut worden, die einzelnen Stadtteile erhoben sich stufenweise übereinander. An vielen Stellen musste man durch enge Tunnel laufen, dort, wo Granitschichten die Bebauung so sehr erschwert hatten, dass man darauf verzichten musste, sie zu durchstoßen, sondern lediglich unterhalb davon Durchgänge geschaffen hatte. Im Handwerkerviertel gab es viele Marktplätze, Geschäfte und Händlerbuden, hier war das Leben und Treiben besonders vielfältig. Maondny lauschte den schreienden, feilschenden und schimpfenden Menschen. Sie beherrschte nur Roensha, wie es hier in der Stadt gesprochen wurde, keine der anderen zahllosen Sprachen und Dialekte des Kontinents. Auf der Suche nach den kleinen, verwinkelten Gassen jenseits der Hauptstraße, wohin Bettler und Betrunkene sich tagsüber zurückzogen, huschte sie an den Ständen vorbei. Gedanken und Schicksale bedrängten ihre Sinne, sie sah Tod und Verderben, Krankheit und Hoffnung, alle Spielarten von Schmerz; Liebe, neues Leben, Freundschaft und Frohsinn.
    Ob es das ist, was euer Dasein erträglich macht? Ihr Götter, diese vollkommene Blindheit für alles, was jenseits des Augenblicks liegt, wie erträgt man das bloß?
    Maondny wartete lange, bevor sie es wagte, durch das Tor der Gelehrten zu schlüpfen, denn auf der anderen Seite befand sich nicht nur die Universität und ein farbenfrohes Wohnviertel voller Studenten und Künstler, sondern auch die Magierschule, an der die zukünftigen Sonnenpriester ausgebildet wurden. Zwar waren hier unten, zu solch früher Stunde, noch keine allzu mächtigen Priester zu erwarten. Um diese Zeit wurde die Begrüßungszeremonie für Ti abgehalten, wie jeden Morgen. Gewöhnlich nahmen daran
    ausschließlich die Adligen teil, die Messe zur Mittagsstunde wurde von den einfachen Bürgern besucht. Es stand also zu hoffen, dass die Priester blind für den flüchtigen Gedankenschatten einer Elfe sein würden, zumal niemand mit einer Gefahr inmitten der Stadt selbst rechnete. Immerhin, auch Hexen gingen in Roen Orm ein und aus und blieben unentdeckt. Dennoch wartete sie geduldig auf den rechten Moment.
    Der ziemlich reiche und gut angesehene Meister der Schustergilde, in dessen Bewusstsein sie sich mittlerweile eingenistet hatte, saß bereits beim Frühstück. Zu ihrem Glück war er zu verloren in Tagträumen, um sie zu spüren. Er aß zusammen mit seiner Frau Brotsuppe und Dörrfrüchte, während die Kinder in der Küche bei der Dienerschaft speisen mussten. Verwirrt betrachtete Maondny die Gedanken des Mannes.
    Tjera ist zu weichherzig, Góm muss in die Lehre, mit acht ist er fast schon zu alt. Hoffentlich wird Sila nicht so verschwenderisch wie ihre Mutter!
    Er liebte seine vier Kinder und vor allem deren Erzieherin weitaus mehr als seine Frau, trotzdem zog er es vor, mit dieser zusammen zu essen. Ermüdet von den Sitten der Menschen, wechselte sie in die Träume eines anderen Mannes. Sie hatte spontan eine Vision, dass sie mit ihm sprechen müsse und folgte, ohne nachzudenken. Überrascht fand sie sich im Bewusstsein eines Loys wieder. Es war gefährlich für dieses Volk, sich unter Menschen zu begeben, und normalerweise entfernten sie sich niemals von ihrer Sippe. Diesen hier hatte es allerdings in die Stadt gezogen. Loy waren Sippenfremden gegenüber meist extrem höflich, was sie allerdings nicht daran hinderte, beim geringsten Anzeichen von Gefahr zuzuschlagen. Dieser hier schien von Natur aus etwas

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