Toechter der Dunkelheit
friedfertiger, Maondny betrachtete fasziniert seine Schicksalslinien. Er bemerkte sie sofort und grüßte sie respektvoll, ohne dabei zu erwachen.
„Eine Elfe, wie ungewöhnlich! Plant ihr einen weiteren Angriff?“
„Nein, mein geflügelter Freund. Ich suche jemanden und bin bald wieder fort. Aber was willst du hier? Ein Loy, der sich in ein Steinhaus sperrt und Kräutertränke an Menschen verkauft, nur um etwas zu finden, was es womöglich niemals gab?“
„Nicht jeder ist, was er zu sein scheint. Man hält mich hier für einen Ausgestoßenen. Die Menschen fürchten und verabscheuen mich, die Loy würden mich töten, könnten sie mich hier sehen. Interessant, dass die Elfen mich mit freundlichen Augen betrachten … Jedenfalls, ich bin weder eingesperrt noch ausgestoßen.“
„Ich fühle deinen Zorn, Niyam von den Loy. Es war ein gutes Gespräch, das ich gerne ein anderes Mal fortsetzen will, doch jetzt muss ich weiterziehen.
Wisse, es liegt an meinem Wahnsinn, dass ich dich freundlich betrachte. Meine Sippe fürchtet die Loy und wird euch bekämpfen, wenn es nötig sein sollte. Oh, und deine Suche wird keinen Erfolg haben.“
„Ich mag deinen Wahnsinn, Seherin, und werde weitersuchen. Auf bald!“
Maondny löste sich von dem Loy und schlüpfte durch das Tor der Gelehrten, oder die „Gelbkittelpforte“, wie das Volk sie nannte, als Anspielung auf die gelben Umhänge der höhergestellten Priester. Flüchtig dachte sie über den Loy nach, was es für sie und ihn bedeutete, sich begegnet zu sein. Vielleicht wäre ich ihm doch besser ausgewichen, aber die Vision war so deutlich … Seltsam. Der gesamte Schicksalsstrom scheint in Aufruhr, so etwas ist mir noch nie widerfahren!
Sie beeilte sich, denn nun waren kaum noch Schläfer zu finden. Roen Orm war erwacht. In den Straßen des Hochadels ging es an prunkvollen Villen, Gärten und Parkanlagen vorbei – Maondny spürte die Magie, die nötig war, damit in diesem rauen Klima solch zarte, sonnenhungrige Blumen und Bäume wachsen konnten. Wieder schob sich das Bild des gefolterten Mannes vor ihre Augen, sie spürte, wie nah sie ihm bereits war. Ungeduldig stürmte sie vorwärts, durch das Herrschertor, scharf bewacht von Wächtern mit Lanzen und fein ziselierten Rüstungen. Die Helme waren wie Adlerschwingen geformt und mit Magie belegt, die vermutlich Schutz vor elfischen Attacken bieten sollten. Leicht amüsiert stellte sie fest, dass dieser Schutz tatsächlich für Hexen unwirksam war – man hatte sich auf die andersartige Magie der Elfen eingestellt.
Einer von den Wächtern zuckte zusammen, als Maondnys Gedankengestalt an ihm vorbei schlich.
Wie unaufmerksam von mir. Er wird hoffentlich keinen Priester verständigen!
Endlich befand sie sich im Königspalast. Da kein Schlafender mehr zu finden war, suchte sie sich den Geist einer Ratte als Unterschlupf. Es war leicht, das Tier in die Kerker hinabzulenken, es fand mühelos seinen Weg durch die Mauergänge, die er und seine Artgenossen im Laufe der Jahrzehnte gegraben hatten. So kam es, dass sie, eine Elfe, durch die am stärksten magisch gesicherten Barrieren der gesamten Welt gelangen konnte, hinein in die Zelle der königlichen Gefangenen. Der Umweg war unterhaltsamer gewesen, als sie befürchtet hatte!
Der junge Mann hing bewusstlos in seinen Fesseln, und so hatte Maondny genügend Zeit, ihn zu betrachten.
Wie schwach er ist! Bald wird er den Jenseitswächtern begegnen. Dort wird man ihn besser behandeln als hier … Von Mitleid erfüllt, glitt sie in seinen Geist.
„Thamar, jüngster Prinz von Roen Orm. Warum hasst man dich so, dass man dir das hier angetan hat?“, flüsterte sie fassungslos. Sie spürte und teilte seinen Schmerz, die Qualen seines gemarterten Körpers. Seine Erinnerungen an die Folter stießen selbst sie ab, die doch bereits jede Art von Grausamkeit in ihren Visionen erlebt hatte. Sie wich vor seinen Erinnerungen zurück, auch wenn sie dadurch nicht von allein das Wissen erlangen konnte, das sie begehrte.
„Bist du Geshar? Bist du gekommen, mich zu erlösen?“ Überrascht von der Kraft seiner Gedanken fuhr Maondny zusammen.
„Du bist zornig, Thamar. Damit verlängerst du dein Leiden.“
„Bist du Geshar? Bist du der Seelenwächter, gekommen, mich zu den Jenseitstoren zu tragen?“ War es Verzweiflung oder Hoffnung, was sie in ihm fühlte?
„Nein. Ich bin hier, weil du meine Gedanken gestört hast.“
Maondny spürte, wie er erwachte, und löste sich von ihm.
Ob
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