Toechter der Dunkelheit
Frauen, unter ihnen Mätressen, adlige Hofdamen, Hexen und Dienerinnen, die über das unnötig lange Leiden des Prinzen empört waren – wenn auch nicht über die Tatsache an sich, dass er regelrecht öffentlich, unter den Augen des
Herrscherpaares, zu Tode gefoltert wurde – sie alle waren empfänglich für P’Maondnys Botschaft:
„RETTET IHN!“
Diesmal spürte sie die suchende Aufmerksamkeit gleich mehrerer Priester. Maondny berührte noch einmal Thamars Geist, flüsterte ihm Trost zu. Sie wusste nun fast alles über ihn, es schmerzte so sehr! Dann sprang sie durch das Tor der Zeit, unerreichbar für die Priester.
Seltsam zufrieden trieb sie durch die magischen Ströme, fühlte die umwälzenden Veränderungen, die sie angestoßen hatte. Die Ungewissheit, die entstand, wo vorher so deutlich ein Weg erkennbar gewesen war. Nun verstand sie die Fülle neuer Visionen – sie selbst hatte mit einer einzigen Entscheidung Leben und Schicksal zweier Welten gewandelt.
Merkwürdig, zu handeln statt bloß zu sehen … Es war meine Entscheidung, mein Wille, der diesmal den gesamten Strom verändert hat!
„Ja. Nebenflüsse versiegen, neue Strudel entspringen aus dem Nichts, das gesamte Muster wird neu gestaltet.“
Maondny blickte auf und betrachtete das Wesen, das dort zu ihr sprach. Es gab nicht viele Kreaturen, die in den Zeitenstrom eindringen konnten, und nur die Götter unter ihnen waren fähig, sie überhaupt wahrzunehmen. Eine Eule schwebte über ihr, ohne mit den Flügeln zu schlagen. Sie erschrak – es gab kein machtvolleres Wesen, das hätte zu ihr kommen können.
„Bist du wütend auf mich?“, fragte Maondny verzagt. Sie wusste genau, was sie angerichtet hatte. Dass ihretwegen die Schöpfung aus dem Takt geraten war.
„Bereust du es? Du selbst könntest deine Tat noch rückgängig machen, es wäre leicht. Flüstere Ilat ein, dass er verraten wird, und drei Herzschläge später ist Thamar tot.“
„Nein. Ich bereue es nicht, und will es nicht rückgängig machen, außer du befiehlst es mir! Ich habe meine Entscheidung nicht leichtherzig getroffen.“
„Nichts anderes wollte ich hören.“ Die Eule kicherte leise und setzte sich auf Maondnys Schulter.
„Du weißt, meine Schöne, wie sehr ich unvorhergesehene Abwechslung und Überraschungen liebe. Doch sag mir, kleine Träumende: Was erhoffst du dir von deiner Tat? Der Menschenjunge hält dich für einen Traum, Roen Orm ist für dich genauso unerreichbar wie die Jenseitstore. Weder Liebe noch Glück kann aus deiner Tat erwachsen, es sei denn, du stellst dich dem Leben und all den Qualen, die das für dich bedeutet. Dein eigenes Volk sollte besser nie davon erfahren, sonst weiß niemand, was sie mit dir anstellen würden. Es wird dich viele Jahre harter Arbeit kosten, dieses Chaos wieder zu richten. Du bringst Leid, Tod, vielleicht auch den Untergang über so viele Völker. Jeder Fehler, den du begehst, werden andere büßen müssen. Für all dies wirst du nur dann einen Lohn erhalten, wenn du tust, was du am meisten fürchtest. Und du weißt, was ich von dir fordern werde, als Sühne für diese Tat. Warum also, Maondny?“
„Mein Name ist P’Maondny , und ich weiß es nicht. Es ist richtig, das ist das einzige, was ich dazu sagen kann.“
„Ich verstehe.“ Die Eule kicherte wieder und flatterte auf. „Ich wünsche ich dir Glück. Ich danke dir, du hast dafür gesorgt, dass es nicht langweilig wird.“
Nachdenklich kehrte Maondny in die Wirklichkeit ihrer Baumhütte zurück. Auch, wenn ein Teil von ihr vor Entsetzen schrie: Das Gefühl der Zufriedenheit war geblieben und breitete sich noch immer weiter aus, als sie am Rande ihres Bewusstseins spürte, wie sich die Dinge entwickelten. Schon bald würde Thamar befreit werden.
Mal sehen, wer für ihn sterben muss, welche Linie dadurch erlischt …
8.
Die Wahrheit ist ein zerbrechliches Ding, teuer zu handeln, wenig begehrt, das scharf in den Finger zu schneiden vermag.
Sinnspruch aus Lynthis, Handelsstadt am Südmeer
Dutzende Hexen hatten sich vor Shoras Hütte versammelt. Inani blickte in zornige, hasserfüllte Augen, ein Meer von anklagenden Gesichtern. Corin stand unmittelbar vor ihr, in ihren Händen lagen blutige Federn.
Taubenfedern ...
„Du warst es! Du hast deine Bestie auf meinen Seelenvertrauten gehetzt!“, schrie das Mädchen zornbebend. Tränen flossen über ihr rundes, bleiches Gesicht. Verständnislos starrte Inani auf die blutigen Federn, auf die
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