Toechter der Dunkelheit
Oberkörper und Hüfte geschlungen. Das Gewicht des Tieres setzte ihr zu, doch sie ließ sich nichts anmerken, sondern blickte so gleichmütig wie nur möglich in Kytharas finsteres Gesicht.
„Öffne deinen Geist, wehre dich nicht!“, befahl die Königin streng.
Kytharas harte Finger strichen über Inanis Gesicht, ihre rabendunklen Augen durchdrangen Körper und Seele. Es schmerzte, als sie durch Inanis geistige Sperren brach, in die Gedanken, Erinnerungen und Gefühle eindrang, die sie zu verstecken versuchte. Erst nach einem angsterfüllten Moment wurde ihr klar, dass Kythara sie benutzte, um die Erinnerungen der Kyphra erforschen zu können.
Inani versuchte, die Bilder zu begreifen, die sie nun sah, doch sie erkannte dort nur ein offenes Fenster und den Duft eines wehrlosen Beutetieres.
Unbehaglich wand sie sich in Kytharas Griff, deren Fingernägel sich scharf in Kinn und Wange bohrten. Was für ein Spiel war hier bloß im Gange?
„Ich bin nicht deine Freundin, Inani“, hörte sie Kythara in ihrem Bewusstsein. Wenn ich es für richtig halte, werde ich dich jederzeit töten. Solange dies nicht notwendig ist, werde ich dich wie jede andere Hexe in meinem Reich beschützen. Sei vorsichtig, du hast Feinde. Wie ich sehe, hast du den größten Teil von ihnen bereits erkannt. Nutze das Wissen der Kyphra, dann wirst du verstehen, was hier geschehen ist.“
Kythara gab sie frei und richtete sich auf.
„Inani hat ihren Vertrauten nicht mit Absicht gegen Corins Taube geschickt. Es war ein Unfall, die Schlange hat sich aus ihrem Korb befreit und ist durch ein Fenster geschlüpft. Ob es Nachlässigkeit war, konnte ich nicht erkennen, Vorsatz war es gewiss nicht.“
„Das ist alles? Sie hat nicht auf ihre dämliche Echse aufgepasst, die meine Taube getötet hat, und jetzt habe ich Pech gehabt?“ Corin schluchzte auf. Ihre weinerliche, schrille Stimme schmerzte in Inanis Ohren, dennoch hatte sie Mitleid mit ihr.
„Es tut mir sehr, sehr leid, Corin. Ich möchte gerne etwas tun, um Ersatz zu leisten“, sagte sie leise.
„Kannst du die Toten wieder lebendig machen? Nein? Dann kannst du auch nichts wieder gut machen. Es gibt keinen Ersatz für einen toten Vertrauten!“ Ylankas Stimme klang zornig, doch in ihren kalten Augen glitzerte Triumph.
„Kythara, ich verlange, dass Inanis Schlange getötet wird. Sie soll den gleichen Schmerz leiden wie meine Tochter.“
„Nein, Ylanka. Blut wird nur mit Blut beglichen, wenn es vorsätzlicher Mord war.“
„Was bestimmst du also, Herrin ?“
Kythara setzte sich nachdenklich auf ihren Thron zurück. Sie reagierte nicht auf Ylankas wütenden Spott. Inani spürte die Hand ihrer Mutter auf der Schulter, die sie beruhigend streichelte und das Gewicht ihrer Schlange, die nervös Kopf umherbewegte.
Niemand nimmt dich mir weg!, dachte sie und schickte dieses Bild in den verängstigten Geist der Kyphra.
Gefahr?, erwiderte die Schlange und wurde augenblicklich noch unruhiger. Ihre Zunge flatterte über Inanis Hals. Inani gab es auf, ihren Seelenvertrauten erreichen zu wollen.
„Nachlässigkeit darf nicht ermuntert werden“, sagte Kythara mit harter Stimme. „Unser aller Überleben hängt davon ab, dass wir uns aufeinander verlassen können. Deshalb urteile ich wie folgt: Inani soll einen Monat in die Wälder geschickt werden, nur mit ihrem Vertrauten. Wenn sie wiederkommt, soll alles vergeben sein. Niemand darf nach ihr suchen, ihr Essen, Kleidung oder Geschenke bereitstellen. Zuvor darf sie allerdings an den Festlichkeiten teilnehmen, denn ohne den Segen der Göttin soll sie nicht fortgeschickt werden. Morgen früh, bei Sonnenaufgang, beginnt ihre Verbannung und endet dreißig Tage darauf, zur selben Stunde.“
„Nein!“ Shora umklammerte Inanis Arm so fest, dass sie ein schmerzliches Stöhnen unterdrücken musste.
„Das ist einem Todesurteil gleich! Du weißt, wie gefährlich die Wälder zu dieser Zeit sind, wenn die Raubtiere aus dem Winterschlaf erwachen, aber noch nicht viel Beute zu holen ist! Dazu sind die Nächte noch empfindlich kalt!“
„Meine Tochter hat eine Woche in den Wäldern überlebt, als der Winter schon auf der Schwelle stand, da müsste dein ach so begabtes Liebchen doch die Zeit mit einem Lächeln auf den Lippen absitzen können!“ Ylankas Stimme war blanker Hohn. Tiefe Zufriedenheit strahlte aus ihren harten, dunkelbraunen Augen.
„Corin war halb verhungert und verdurstet und hatte keine zwei Stunden Schlaf gefunden in dieser Zeit. Es
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