Toechter der Dunkelheit
gibt andere unter ihnen, jene, die noch wahrhaftig Auserwählte von Ti sind. Du hast dich und deine Gefährten verteidigt, was hättest du auch sonst tun sollen? Ich bin überrascht, dass du überlebt hast, Kind.“
Mit Sorge im Blick streckte sie die Hand nach Inani aus, doch die entzog sich ihr.
„Meine Gefährten haben mich beschützt, mir geht es gut.“ Sie wollte ihr nicht vertrauen.
„Inani, du warst lebensgefährlich verwundet. Dass du dich selbst heilen und befreien konntest, dass eine solch junge Hexe wie du es überhaupt geschafft hat, die Gestalt zu wandeln, ist unbegreiflich! Viele Erwachsene schaffen es nie, die Gestalt ihres Seelentieres anzunehmen, egal wie viel Hilfe ihre Gefährten ihnen zu geben versuchen.“
„Wir sollten nach Hause gehen.“ Schroff wandte sich Inani ab, um der Königin nicht ins Gesicht sehen zu müssen. Am liebsten hätte sie sich ihr in die Arme geworfen und geweint, aber das wollte sie sich nicht gestatten. Wenn all dies hier irgendeinen Sinn haben sollte, durfte sie niemandem mehr vertrauen.
„Warum hast du nicht nach deiner Mutter gerufen? Du hättest nicht dort auf Leben und Tod liegen müssen.“
„Du hast die Erinnerungen meiner Schwestern gesehen, du weißt es! Du weißt, dass Shora mich verraten hat, du weißt, dass ich lieber sterben wollte als von meiner Mutter gerettet zu werden! Ich brauche Shora nicht mehr. Können wir jetzt gehen?“
Mühsam beherrscht ballte Inani die Fäuste, wirbelte herum und rannte los, in den Wald hinein, der den unteren Berghang bedeckte.
Als Kythara sie eingeholt hatte, hockte das Mädchen am Boden, umgeben von ihren Gefährten, und sprach leise auf ein Geschöpf ein, das sie im Arm hielt.
„Ruhig, ganz ruhig, du brauchst mich nicht zu fürchten!“
Kythara schritt zu ihr, entschlossen, sich über nichts mehr zu wundern; doch dann sah sie, was Inani in ihren Armen wiegte und erstarrte fassungslos: Es war eine Taube. Eine wunderschöne, schneeweiße Taube, die ganz gewiss nicht in diese südliche Bergwelt gehörte.
„Sie saß auf einmal da. Pya muss sie geschickt haben, damit ich sie Corin mitbringen kann.“ Inani blickte hoch und lächelte, als sie den gurrenden Vogel vorzeigte. Ihre Augen nahmen einen leicht grünlichen Schimmer an. Das war nicht unbedingt beruhigender als das katzenhafte Gelb, und
immer noch weit entfernt von menschlichem Aussehen. Trotzdem wollte Kythara es als gutes Zeichen nehmen.
„Meine Gefährten sagen, dass der Vogel weit geflogen sein muss.“ Inani erhob sich langsam.
„Tauben finden ihr Ziel, nicht wahr? Die Kyphra nennt sie „Fährtenvogel“, und es ist ein guter Name. Tauben mögen wehrlose Opfertiere sein, aber sie sind nicht nutzlos“, sagte sie versonnen.
„Nein, Tauben sind sehr nützliche Tiere, mit einem unfehlbaren Orientierungssinn. Sie spüren die Kraftlinien, die die Welt durchziehen, sind treu und gelehrig.“ Kythara legte beide Hände auf Inanis Schultern und seufzte schwer.
„Hasse deine Mutter nicht. Vielleicht brauchst du sie nicht mehr, aber ganz sicher braucht sie dich. Du wirst schon bald verstehen, warum sie so gehandelt hat.“
Das Mädchen schüttelte stumm den Kopf, die Lippen fest zusammengepresst. Dann schritt sie entschlossen los, rief dabei nach dem Nebel, der sie zurück in die Welt der Hexen führen würde – als hätte sie niemals etwas anderes getan –, und Kythara blieb nichts anderes übrig als ihr zu folgen.
Sie hat sich verändert. Eine wichtige, notwendige Änderung, sie wird erwachsen. Shora hat ihr Ziel erreicht … Göttin, warum muss es immer mit solch schmerzlichen Verlusten einhergehen? Warum gibt es die Unschuld nur, um sie verlieren zu müssen?
13.
„Vieles auf dieser Welt ist kompliziert und leicht zu verderben. Die Liebe zwischen Eltern und ihren Kindern aber sollte nicht so sein, sondern leicht, unsterblich, von nichts zu beflecken. Die Wahrheit jedoch ist: Nichts verdirbt uns leichter als ebendiese Liebe.“
Teil der Inthronisierungsrede von König Briannos von Roen Orm, gleichzeitig Grabrede für seine von ihm ermordeten Eltern; im Jahr 1715 nach Gründung der Stadt
„Erzähle mir von dir, Thamar“, bat Fin Marla, während sie durch den Wald schritten. Er zuckte unmerklich zusammen, seine Gedanken rasten – dies war die Königin der Elfen, die Anführerin der Erzfeinde seines Volkes. Er durfte, er konnte ihr nichts erzählen! Wohin führte sie ihn eigentlich?
Er hörte die Elfe lachen und blieb
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