Toechter der Dunkelheit
viel von ihrer Lebenskraft vergeben hatte. Am Bach trank Inani, danach sank sie zu Boden. Die Erschöpfung holte sie ein. Bewacht und beschützt von ihren Gefährten ergab sie sich dem Schlaf.
„Es ist gut, zu leben …“
~*~
Inani erwachte von der Witterung frischen Blutes. Das Grollen ihrer Seelengefährtin verriet, dass die Leopardin neue Beute geschlagen hatte. Sie konnte sich kaum beherrschen, als sie aufsprang und den noch warmen Körper eines kleinen Pelztieres vor sich fand. Ihr war vollkommen gleichgültig, um was es sich handelte, sie schnappte zu und fraß wie entfesselt, ihr Raubtiergebiss riss die Beute fast schneller in Stücke, als sie schlucken konnte. Irgendwo tief in ihrem Inneren ekelte sie sich vor dem rohen Fleisch. Eine leise Stimme, die ihr sagte, dass sie noch ein Mensch war.
„Genug?“ , fragte die Leopardin, bereit, mehr zu jagen.
„Es reicht.“
Inani eilte zum Wasser, trank und ließ das Blut von ihrem Maul fortspülen. Danach konzentrierte sie sich darauf, sich zurückzuwandeln. Es müsste bald an der Zeit sein heimzukehren.
Wieder war es leicht: Von ganz allein richtete ihr Oberkörper sich auf und streckte sich. Das Fell wich zurück, genauso wie Krallen. Weiße Haut schimmerte in den letzten Strahlen der Sonne, und dann stand sie als Mensch da, erfüllt von grenzenloser Verwunderung: Ihr Kleid, das zuvor aus heller Wolle bestanden hatte, war nun schwarz wie das Fell des Panthers, und die Haarsträhnen, die ihr ins Gesicht hingen, leuchteten ebenso dunkel. Fasziniert strich sie über ihre glänzenden blauschwarzen Locken: Fort war das Rot, das den Priester so gestört hatte.
„Deine Augen sind golden“, zischelte die Kyphra.
„Was bedeutet das?“
„Du bist deiner Seelenschwester noch sehr nah, die Magie zeigt diese Änderung. Wenn du wieder vollends Mensch bist, werden deine Farben sich ändern. Möglicherweise bleiben deine Haare aber nun immer so dunkel.“
Die drei Gefährten fuhren herum, als diese neue Stimme erklang. Ein Rabe saß auf einem Felsen. Übergangslos verwandelte er sich und nahm Kytharas Gestalt an.
„Du bist gekommen, um mich nach Hause zu holen?“
„Ja, Inani, deine Zeit ist vorbei.“ Die Königin trat näher zu ihr heran und starrte ihr tief in die goldschimmernden Augen.
„Du bist verändert, Kind. Du hast getötet, nicht wahr? Das ist der Grund, warum du dich nicht vollständig von der Raubkatze lösen kannst.“ Es lag keine Anschuldigung in der ruhigen Stimme, trotzdem zuckte Inani zusammen.
„Ein Sonnenpriester. Er wollte mich umbringen, ohne jeden Grund. Du findest seine Leiche oben bei den Felsen.“ Sie duckte sich wachsam, aus Angst vor der Strafe für ihren Ungehorsam.
Kythara beugte sich zur Leopardin herab, die scheinbar entspannt die Begegnung beobachtete.
„Darf ich in deine Erinnerungen sehen, was geschehen ist? Deine Gedanken sind für mich leichter zu verstehen als die der Kyphra.“
Die Raubkatze blieb unbewegt, und Kythara legte leicht die Hand auf ihren Kopf. Nur einen Moment später riss sie die Augen auf und starrte verblüfft auf Inani herab.
„Warum hat er mich so sehr gehasst? Ich wollte ihm nichts tun, aber er wollte mich töten, mich und meine Gefährten, einfach, weil wir da waren“, wisperte sie.
„Jetzt ist nicht die richtige Zeit, um über Fanatismus zu reden. Sieh, die Sonnenpriester führen einen hoffnungslosen Kampf. Sie können die Töchter der Pya nicht von der Welt vertilgen, sie können die Macht der Göttin nicht auslöschen, egal, wie sehr sie das wünschen. Sie werden immer wieder von uns besiegt, genarrt, bloßgestellt. Gleichzeitig glauben viele Menschen nicht mehr daran, dass es überhaupt noch Hexen gibt, weil wir uns in die Welt hinter den Nebel
zurückgezogen haben. Hexen gelten als Aberglaube der Unwissenden und alles, was die Priester tun, als gefährlicher, nutzloser Unfug. Man neidet ihnen ihre Macht, ihre Magie, fürchtet und hasst sie. Es gibt viele die sagen, dass Magie nur Gott zusteht und die Macht der Priester vom
Finsterling stammen muss. Das schürt wiederum in vielen Geweihten den Hass, bis sie überall Beweise für Hexen und finstere, unheilige Verschwörungen sehen. Es gibt Priester, die kleine Kinder töten, nur weil diese rote Haare haben, oder harmlose Frauen, die sich auf Kräuterheilkunde verstehen. Schlangen und streunende Katzen werden ebenso verfolgt wie jegliche Regung von Magie in Frauen. Konar war einer dieser Priester. Aber glaube mir, es
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