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Toechter der Dunkelheit

Toechter der Dunkelheit

Titel: Toechter der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Balzer
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er fing mich ab. Seine Männer überwältigten meine Beschützer. Er ließ mich wie einen Verbrecher durch ganz Roen Orm schleifen und ins Gefängnis werfen. Es war ein Skandal, dass er mich nicht einfach tötete, wie es die Tradition verlangt, aber niemand durfte ihn daran hindern, mit mir zu spielen . Meine Eltern haben ihn gebeten, damit aufzuhören, doch nicht einmal mein Vater, der König, konnte ihn davon abhalten, mich zu foltern, wochenlang. Das Gesetz bindet auch ihn.“ Thamars Stimme versagte beinahe; diese Wunden in seiner Seele waren noch zu frisch. Erst jetzt bemerkte er, auf welch merkwürdige Weise Maondny sie führte: Mal ging sie entschlossen einige hundert Schritt geradeaus, dann wich sie plötzlich nach rechts aus, verharrte, führte sie eine Weile im Zickzack durchs Unterholz, danach wieder einige Schritte zurück, nur um plötzlich ohne zu zögern vorwärts zu stürmen.
    Fin Marla legte die Hand auf seine Schulter, Mitgefühl sprach aus ihrem Blick.
    „Sorge dich nicht, Maondny kennt den Weg. Ihr Geist treibt im Strom der Zeit, die Visionen lenken ihre Schritte. Was sie sieht, weiß ich nicht, doch es sind keine Fehltritte, wenn sie zur Seite abweicht. Meine Tochter wird dafür sorgen, dass wir zum bestmöglichen Zeitpunkt unser Ziel erreichen werden, nicht zu früh, nicht zu spät.“ Die Elfe seufzte tief. „Warum, Prinz von Roen Orm, wurde dieses furchtbare Gesetz nicht längst abgeschafft? Es hat so viel Leid über so viele Familien gebracht, ohne jeden Grund!“
    „Es ist unmöglich. Der König müsste dreizehn der führenden Adelsfamilien dazu bringen, für eine Aufhebung des Gesetzes zu stimmen. Zweimal wurde dies in der Vergangenheit versucht, beide Male gab es keine Mehrheit. Roen Orm genießt die spektakulären Kämpfe, es werden Wetten abgeschlossen, sobald zwei mögliche Erben einer Familie volljährig werden. Andere Familien wählen einen Favoriten unter den Kämpfern, den sie unterstützen, um sich im Siegesfalle für die eigene Familie Vorteile zu verschaffen.“
    „Ich verstehe.“ Fin Marlas Tonfall ließ keinen Zweifel, dass sie diese Sitte keineswegs verstand, aber höflich genug war, sie nicht zu kritisieren.
    Maondny blieb unvermittelt stehen und hob warnend die Hand. Fin Marla erstarrte, lauschte einen Moment lang. Dann packte sie Thamar am Arm und schob ihn in den Schatten eines Busches.
    „Ganz still!“, hauchte sie. Einige Augenblicke später traten Elfen zwischen den Bäumen hervor. Thamar verstand nichts von dem kurzen Wortwechsel, atmete jedoch erleichtert auf, als die Fremden wieder fort waren. „Das waren Jäger. Wenn sie dich gesehen hätten, wärst du jetzt tot. Sie hätten dich erschossen und erst danach gefragt, ob du uns bedroht hast“, erklärte Fin Marla mit einem schmalen Lächeln. Thamar erschauderte. Wohin brachten die beiden ihn eigentlich?
    „Der Krieg hat uns verändert, junger Prinz, in alten Zeiten hätten wir einen Fremden willkommen geheißen, egal, wo wir ihm begegnen, und uns lediglich verteidigt, falls wir angegriffen werden.“
    „Wir stammen aus einer anderen Welt, Thamar “, wisperte Maondny kaum hörbar. Ihr Gesichtsausdruck war so sehr entrückt, als wäre sie in eben dieser Welt vergessen worden.
    „Anevy ist Enra ähnlich“, fiel Fin Marla ein. „Viele Pflanzen und Tiere, die wir hier gefunden haben, kannten wir bereits in ähnlicher oder sogar der gleichen Form. Manchmal, wenn wir die Augen schließen und vergessen, was wir verloren haben, könnten wir glauben, nie von Zuhause fort gegangen zu sein. Außer unserem Volk gibt es noch zwei Rassen in Anevy. Zum einen die Famár, magiebegabte Wasseratmer. Zum anderen die Orn. Sie gleichen euch Menschen, sieht man davon ab, dass ihre Haut wie Marmor aussieht. Ihrer eigenen Überlieferung nach wurden sie von einem Gott erschaffen, der eine Handvoll Kiesel in die Hand nahm und diesen eine Seele schenkte.“
    Fin Marla hielt inne, als ihre Tochter leise zu kichern begann.
    „Das ist keine Überlieferung, Mutter, sondern die Wahrheit. Zumindest nahe dran. Eine Träne von Pya fiel auf einige Felsen und brachte Leben über sie. Das Volk der Orn ist nichts anderes als menschgewordene Steine. Und weil Pya sie schuf, sind sie Menschen, denn sie darf keine anderen Lebensformen hervorbringen. Siehst du die Ironie, Mutter? Pyas Träne hat sie aus Stein erschaffen und ihr Schicksal an Steine gefesselt.“
    „Was bedeutet das?“, fragte Thamar verblüfft. Er war erzogen worden, Pya als

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