Toechter der Dunkelheit
sterben, und es würde lange dauern
„Du hast mich umgebracht, Onme … Du bist verflucht, verflucht!.“ Sie zitterte und keuchte, doch nach wie vor beherrschten Hass und Wut ihre Züge. „Ich bereue, dass ich dich damals nicht habe sterben lassen, so vieles, was ich tun wollte und niemals konnte, weil du Angst hattest, immer hattest du Angst!“
„Geh nicht! Isma, geh nicht!“ Er weinte erbärmlich, schluchzte hemmungslos an Ismeges Brust.
„Verschwinde! Ich will nicht, dass der letzte Laut dieser Welt dein Geflenne ist!“
„Isma, tut mir leid, tut mir leid, geh nicht!“
Etwas Unheilvolles flackerte in Ismeges Blick.
„Es gibt eine Möglichkeit, aber du darfst nicht heulen, verstanden?“
„Was? Ich helfe, ich will helfen!“ Hastig wischte er sich über das Gesicht, unterdrückte das Schluchzen. Ismege schwieg einen Moment, das Gesicht von Schmerz verzerrt rang sie um Atem.
„Du kennst meinen Zauberspruch. Du hast gesehen, was ich damit tun kann. Wenn du mich retten willst, musst du jetzt zaubern.“
„Ich kann nicht, kann nicht …“
„Doch, Onme, du hast Magie, so wie ich.
Ich kann nicht mehr, meine Kraft …“ Ihr Körper spannte sich. Man sah, wie schwer es ihr fiel, noch bei Bewusstsein zu bleiben. Ihr zerrissenes Kleid war nass von dem Blut, das unentwegt aus ihrer Wunde herausströmte. „Mein Körper ist nicht zu retten, du kannst nicht heilen. Aber wenn du meinen Geist in deinen Körper vereinst, werden wir zusammen bleiben. Streng dich an! Der Zauberer, der einer Orn den Leib zerschmettern konnte, kann auch den Vereinigungszauber …“ Ihre Stimme brach. Sie schnappte nach Luft, einmal, zweimal. Dann sank ihr Kopf zur Seite. Der Blutstrom wurde dünner, und Onme schrie auf, wie ein Tier, schrill, voller Panik.
„Nishar! Nishar! Bleib bei mir, Isma, Nishar!“ Blauknisternde Energie umhüllte beide Körper.
Es wurde still. Ismeges zerstörter Körper war verschwunden.
Lange Zeit geschah nichts. Dann erhob sich der Mann langsam, bedächtig, als hätte er vergessen, wie er sich bewegen musste. Der Ausdruck stupiden Schwachsinns war verschwunden. Entschlossenheit und Hass verdunkelten sein Gesicht, Triumph leuchtete in den Augen – und Wahnsinn, abgrundtiefer, erschütternder Wahnsinn.
„NEIN!“, schrie Thamar, bevor ihm bewusst wurde, dass er nicht länger auf diese Kreatur starrte, die vor seinen Augen entstanden war. Er zitterte am ganzen Leib, zu sehr hatte ihn diese Szene mitgenommen.
„Es war ein Unglück, sinnlos, wie es meistens der Fall ist“, sagte Maondny. Ismege hätte an diesem Tag sterben müssen, gefällt im Streit von ihrem eigenen Bruder, den sie so viele Jahre lang widerwillig, aber treu versorgt hatte. Ein Unglück, dass er sie angriff. Ein Unglück, dass er sie rettete. Ihr Verstand, der von Hass auf die ganze Welt beherrscht wurde, traf auf seinen von grausamer Hand zerstörten Geist, und was daraus entstand, war ein Wesen, das keine Grenzen mehr kannte. Es nannte sich von da an Osmege, und es wurde – und wird – nur noch von Instinkten getrieben. Gier nach Macht, Hunger nach Vergeltung, Sehnsucht nach Tod und Vernichtung, dies ist alles, was in Osmege überlebt hat.
Schon bald begann er, seine Schreckensherrschaft vorzubereiten. Chimären entstanden in unendlicher Zahl, wie die Fosh – Mischungen aus Bären und Füchsen, die den listigen Jagdtrieb, die Furchtlosigkeit, die immense Kraft beider Räuber vereinen, oder die Grilya – Raubvögel mit Schlangenfängen. Viele von Osmeges Schöpfungen starben, und hatten auch nie einen anderen Zweck als zu seinem Vergnügen zu sterben. Er mischte Wasser- und Landbewohner, legte sie an den Rand eines Gewässers und sah zu, wie die Kreaturen halb ertranken, halb erstickten, wann immer der
Überlebensinstinkt einer der beiden Hälften die Oberhand gewann, bis endlich einer sich durchsetzte oder das Geschöpf an Erschöpfung starb. Er verband Beutetiere mit ihren Todfeinden und erfreute sich an der Panik, an der das Tier dann meist zugrunde ging. Erst nach und nach fiel ihm auf, dass seine Schöpfungen die Bewohner Anevys in Bedrängnis brachten, aber ab da griff er gezielt an.“
Maondny streifte kurz Thamars Hand, und eine Flut von Bildern überströmten seinen Verstand, blitzartige Visionen, die meisten zu kurz, um sie wirklich aufzunehmen: Schreiende Orn, die von riesigen rotpelzigen Bären gehetzt wurden. Pflanzen, die alles mit Tentakeln umschlangen und in Stücke
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