Toechter der Dunkelheit
Die Kugel wurde zu einem Stein, kaum größer als Ledreas Kopf. Ein dunkel glänzender Felsen, der einen halben Schritt in der Luft schwebte und dabei unendlich langsam rotierte.
„Das Siegel, Osmege. Wir werden uns wiedersehen!“, schrie sie. Brüllend vor Wut schlug die dunkle Kreatur nach Ledrea, erwischte sie, bevor sie fliehen konnte. Sein Hieb schmetterte sie zu Boden. Blut überströmte das Gesicht, den zerbrechlichen Körper der Elfe.
„Niemand wagt es, sich uns zu widersetzen!“, grollte Osmege, er beugte sich hinab zu dem gebrochenen Körper –
Thamar schwankte, als er seinen Arm von Maondnys Griff befreite.
„Ich kann nicht mehr!“, flüsterte er matt. Er ließ zu, dass Fin Marla ihm half, sich hinzulegen. Erschöpft wartete er, dass der Schmerz in seinem Kopf wieder erträglich wurde und der Schwindel langsam nachließ.
„Es ist genug“, versicherte Fin Marla lächelnd.
„Herrin, wie konntet Ihr ...“
„Psst!“ Sie legte ihm einen Finger auf die Lippen und schüttelte den Kopf. „Das ist mein Geheimnis. Ja, ich konnte Osmege widerstehen, als er nach mir griff, doch ich werde dir noch nicht erzählen, wie das möglich war. Nicht einmal Taón habe ich es gesagt, um keine Hoffnung zu schüren. Es war knapp, und ich weiß nicht, ob ihm dem Dunklen ein weiteres Mal entkommen könnte.“
„Wer war Ledrea? Und ist sie gestorben?“
„Wir wissen nicht viel über sie“, antwortete Maondny auf seine Frage. „Osmege hat Ledreas Gefährten getötet, und ihre Kinder ebenfalls. Ob sie gestorben ist, weiß ich nicht, ich habe nie nachgesehen.“ Diesmal war es Fin Marla, die erstaunt aufblickte. „Dein Vater hatte dich gebeten, nach Ledrea zu suchen! Er hat es bis heute nicht ganz verwunden, dass sie ihm das letzte Opfer gestohlen hat!“
Maondny zuckte unbeteiligt die Schultern. „Er bat mich, nachzusehen ob Ledrea noch lebt und ich konnte sie nicht in Anevy finden. Ob sie durch Osmeges Hand gestorben ist, weiß ich nicht. Ich hatte nie einen Grund, mir ihren Tod ansehen zu wollen.“
Einen Moment lang herrschte nachdenkliches Schweigen, dann rührte sich Thamar wieder. So viele Fragen quälten seinen überreizten Verstand, dass er sich kaum für eine entscheiden konnte. „Die Prophezeiung, was ...“, doch erneut wurde er von Fin Marla unterbrochen.
„Seit unser Volk in deiner Welt angekommen ist, haben wir nichts anderes getan als zu versuchen, zurück nach Anevy zu gelangen. Der einzige Weg führt über Roen Orm, durch den Weltenstrudel, den deine Stadt birgt. Taón hat an diesem Tag zu viel Kraft verloren und zu viele unseres Volkes sind bei den Jenseitswächtern. Er wird niemals wieder fähig sein, ein eigenes Tor zu öffnen, und niemand sonst von uns besitzt diese Macht. Der Zugang zu Roen Orm aber wurde uns verwehrt. Seitdem leben wir im Krieg gegen euch.“
„Aber warum habt ihr es uns nicht erzählt, sobald ihr es konntet?“, rief Thamar fassungslos. Sein ganzes Leben war er in der Gewissheit aufgewachsen, dass die Elfen Roen Orm angriffen, um die Herrschaft über dieses Zentrum der Macht zu erlangen.
„Das haben wir. Viele Male. Aber es hatte zu lange gedauert, bis wir eure Sprache gelernt hatten. Kein König wollte uns zuhören, niemand vertraute uns, wenn wir um Waffenstillstand baten. Die wenigen, die doch bereit waren, uns Glauben schenken zu wollen, wurden von ihren Ratgebern umgestimmt. Sie fürchteten, es wäre nur eine List unsererseits. Und ja, ich gestehe, dass mein Volk zu wenig getan hat, um dieses Misstrauen zu zerstreuen.“
Fin Marla warf einen prüfenden Blick zu ihrer Tochter.
„Ist es schon an der Zeit, weiter zu gehen?“
„Ja. die Gelegenheit ist günstig. Sie werden uns bemerken.“
Thamar starrte zwischen den beiden Elfenfrauen hin und her.
Irgendwas verpasse ich hier, die beiden sind merkwürdig!
Maondny stand auf und ging voraus. Das Gefühl, dass nichts so war, wie es sein sollte, verstärkte sich noch, als Thamar den Nebel bemerkte, der plötzlich zwischen den Bäumen aufwallte.
„Wohin gehen wir eigentlich?“, fragte er misstrauisch.
„Dorthin, wo du in Sicherheit sein wirst, junger Prinz.“
Thamar blieb stehen, doch Fin Marla packte ihn am Handgelenk und zog ihn gewaltsam mit sich.
„Was bedeutet das? Lasst mich los!“
„Es ist alles gut, mein Freund“, wisperte Maondny und blickte ihn aus blau schimmernden Augen an. „Wir waren nicht ganz
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