Toechter der Dunkelheit
einmal seine Mutter konnte jetzt noch verhindern, dass Jordre sich Schrammen und
Blutergüsse am ganzen Körper holte, als er wieder und wieder gegen die Felswände prallte. Urplötzlich verschwand der Boden, gleißendes Licht blendete sie beide, als sie aus dem Tunnel hinaus ins Freie schossen. Jordre blieb nicht einmal Zeit für einen Schrei, da landete er bereits in einem tiefen Teich. Sofort packten ihn Chyviles starke Hände und zerrten ihn zum Ufer.
„Ah, wie lange bin ich nicht mehr durch diesen Tunnel geschwommen! Ich hatte völlig vergessen, wie viel Spaß das macht!“ Sie lachte glücklich. Ihr Tonfall ließ nicht den geringsten Zweifel daran, dass sie am liebsten umkehren und das Ganze noch einmal genießen wollte. Jordre lag derweil auf dem Bauch im Gras, am ganzen Leib zitternd vor Kälte, Erschöpfung und Schmerz.
„Natürlich, Spaß ... Lass uns das wiederholen, unbedingt ... Nächstes Jahrtausend vielleicht, oder zehn Tage nach meinem Tod, was meinst du?“ Er stöhnte matt, nur halb bei Bewusstsein.
„Du siehst das alles viel zu verbissen“, spottete sie, zog ihn in ihre Arme und setzte sich mit den Rücken an einen Baumstamm. Er schnaubte bloß, zu müde für Streit oder Gegenwehr.
Einen Augenblick lang blieb Chyvile ganz still, dann spürte er, wie sie magische Energien an sich zog. Sie begann zu singen, in der wunderschönen Sprache der Famár, die er gut verstand, aber niemals würde nachahmen können – für diese vielstimmigen Töne, die Chyvile erzeugte, brauchte es nun einmal Kiemen.
Sie sang vom ewigen Fluss, von all dem, was weder Anbeginn noch Ende kannte und verstärkte damit ihren Zauber, den sie um Jordre und sich selbst zu weben begann. Magie war eine Kraft, die alles umgab und unerschöpflich in der gesamten Schöpfung pulsierte. Wer die Gabe besaß, konnte diese Kraft nutzen. Famár waren nicht fähig, so viel Magie zu binden wie Elfen, und sie nutzten Gesang oder Worte der Macht, um die Wirkung zu erhöhen. So hatte Chyvile es ihm zumindest erklärt.
Wassertropfen sammelten sich aus dem Teich, der Luft und der Erde selbst, stiegen auf und formten rasch eine solide Wand um die beiden. Nichts konnte diesen Schutz durchdringen, kein Feind, kein Sturmwind, nicht einmal Insekten. Es lenkte die Blicke eines jeden Spähers ab und selbst Osmege konnte mit seinen Gedanken, die das ganze Land wie Gift durchzogen, nicht erspüren, wo sie sich befanden. Er hätte direkt vor ihnen stehen können ohne es jemals zu wissen – sie waren nun unsichtbar. Ein Jammer, dass dieser Zauber beinahe eine Stunde Zeit und sehr viel Kraft verlangte, zu viel, um im Kampf wirksam zu werden.
Unter dem magischen Schutz sammelte sich Wärme, und bald hörte Jordre auf zu zittern. Die bleierne Müdigkeit blieb jedoch.
„Schlaf. Wir haben eine große Wegstrecke abgekürzt in diesen Tunneln. Schlaf jetzt, ich wecke dich in einigen Stunden. Du brauchst Ruhe.“ Sanft streichelte Chyvile durch sein nasses Haar.
„Sag“, flüsterte er, fast im Halbschlaf. „Sag mir bitte, wer hat mich erwählt? Du meintest, ich hätte schon so oft gelebt, es wäre meine Bestimmung. Warum? Wer hat das verlangt?“
Er spürte ihr Zögern, blinzelte mühsam, um zu ihr aufzublicken.
„Das ist eine Geschichte, für die du noch nicht bereit bist“, erwiderte sie schließlich langsam. „Nur so viel: Du selbst hast dich erwählt. Du hast dieses Schicksal für dich beschlossen, genauso wie deine Gefährtin und die Steintänzerin selbst. Es war euer freier Wille.“
Ihre Worte begleiteten ihn in bis in seine Träume, hallten unentwegt durch sein Bewusstsein: Du selbst hast dich erwählt …
19.
„Schneller wird ein alter Freund zum neuen Feind als ein verhasster Gegner zum Verbündeten. Misstraue, doch schlage die Hand nicht fort, die sich dir entgegenstreckt.“
Verhandlungsprinzip der Loy
Die aufgeregt plappernde Hexenschar wurde schlagartig ruhig, als Kythara die Versammlungshütte betrat. Sie alle ahnten, dass dieses überraschend einberufene Treffen mit dem Prinzen zusammenhängen musste. Aber was die Königin ihnen nun mitteilen wollte, darüber gab es zahllose Spekulationen. Erwartungsvoll drängelten sich alle nach vorn, um besser hören zu können. Inani hingegen versteckte sich so weit wie möglich hinten, in der Nähe der Tür. Sollte Kythara auch nur eine einzige Anmerkung über Inanis Eindringen in Thamars Hütte machen, war sie fluchtbereit!
„Schwestern, ich will nicht lange drumherum
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