Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Toechter der Dunkelheit

Toechter der Dunkelheit

Titel: Toechter der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Balzer
Vom Netzwerk:
sichere Zeichen, dass Schmerz folgen würde. Selbst die
    ungezielte Wut, die Inani vorhin ausgelebt hatte, hatte Todesängste geweckt.
    „Corin, sieh her!“, flüsterte Inani geistig und zeigte Corin ihren eigenen Schmerz. Den Verrat ihrer Mutter, den Kampf gegen den Priester, den Moment, als sie sich für das Leben entscheiden musste, um nicht elendig zu verrecken; die innige Verbundenheit und Nähe zu ihren beiden Vertrauten.
    „Ich versuche zu lernen, dass ich meine Mutter nicht brauche. Ihre Liebe, die Sicherheit, zu ihr zu gehören hinter mir lassen kann. Ich versuche es, aber es tut weh … Ich bleibe so nah bei meinen Vertrauten, um diesen Schmerz nicht zu spüren, weißt du? Wenn ich ihre Kraft in meine Seele lasse, sehne ich mich nicht mehr so sehr nach meiner Mutter. Corin, ich weiß nicht, ob du etwas Ähnliches mit deiner Taube schaffen kannst, ich weiß nichts von Tauben … Sie leben aber in Gruppen, oder? Deine Taube kann dir sicherlich beistehen … Wie auch immer, du musst dich von deiner Mutter lösen. Sie tötet dich.“
    Sie spürte, wie Corin vor ihr zurückwich, die Verbindung zu trennen drohte, und klammerte sich noch fester an das Mädchen, innerlich wie äußerlich.
    „Was meine Mutter getan hat, betrifft uns beide, sie hat uns beide so tief verletzt, auch, wenn das mit deiner Taube keine Absicht war. Bitte, ich … Corin, ich bin hier
    ähnlich unerwünscht wie du. Sicher, ein paar Hexen sind mir freundlich gesonnen, aber keine von denen würde mir den Todeskuss geben wollen, wenn du verstehst, was ich meine? Man lacht mich zwar nicht aus oder verachtet mich, trotzdem, ich falle immer auf. Weil ich Shoras Tochter bin, weil ich mindestens einen Vertrauten zu viel habe, weil ich irgendwie nie etwas auf normale Weise machen kann, immer falle ich auf! Ich verletze andere, wenn ich wütend bin, obwohl ich es nicht will.
    Ich will dir helfen. Und ich brauche deine Hilfe. Ich brauche eine Freundin, die nicht nur mit mir lacht, wenn das Leben eben lustig ist. Ich brauche jemanden, der mich versteht. Jemand, der weiß wie es ist, von allen gemieden zu werden. Und ich will nicht, dass du kaputt gehst.“
    „Inani …“ Sie waren einander so nahe in diesem Moment, dass sie selbst kaum noch unterscheiden konnten, wo das eine Bewusstsein anfing und das andere aufhörte. Die Gefahr, die darin lag, die Gefahr, dass sie sich ineinander
    verlieren konnten, den Weg zurück nicht mehr finden würden, war nur Inani klar, und sie ignorierte es vollständig. Gefühlsstürme schlugen auf Inani ein: Dankbarkeit, Angst, Misstrauen und Hoffnung vermischten sich, überforderten ihre Sinne genauso, wie Corin überfordert war. Niemals in ihrem Leben hatte sich jemand so offen an Corin gewandt. Tiefe Angst, sich dieser Hoffnung hinzugeben und dabei alles zu verlieren, was sie noch besaß, überwältigte sie, und sie konnte sich nicht länger festhalten.
    Inani kämpfte, als sie plötzlich Corins Bewusstsein mittragen musste in dieser geistigen Verbindung. Panik flammte am Rande ihres Verstandes auf, doch sie zog sich nicht zurück – sie wusste, es würde Corins Geist schwer beschädigen, vielleicht sogar unheilbar verletzen, wenn sie jetzt auch noch losließ, um sich selbst zu retten. In diesem Moment spürte sie, wie ihre beiden Vertrauten nach ihr griffen. Dankbar nahm sie von der Kraft der beiden Tiere, die bedingungslos gaben, was sie besaßen. Dann aber fühlte sie ein weiteres Bewusstsein, eine fremde Seele, die sich mit ihr verbinden wollte. Inani schreckte instinktiv zurück, doch sofort bedrängten die Leopardin und die Kyphra sie, verlangten, dass Inani sich öffnete. Und sie verstand: Die Taube verstärkte mit ihrem schwachen kleinen Geist diesen einzigartigen Bund.
    „Geh zu ihr, Corin, sie wird dich tragen können“, flüsterte Inani. Erleichterung durchflutete sie, als sie fühlte, wie Corin sich wieder fing, und mit Hilfe ihrer Seelenvertrauten die Herrschaft über sich selbst zurückgewann.
    „Warum bin ich so schwach? Warum?“ Tiefe Scham schwang in Corins Gedanken mit.
    „Wer so verletzt ist wie du und immer noch bereit ist zu leben, der kann gar nicht schwach sein! Im Gegenteil, ich weiß nicht, ob ich deine Kraft hätte.“
    „Und wenn es nur Feigheit ist? Wenn ich nur nicht genug Mut habe, um zu sterben?“
    „Du hast mich gesehen, Corin. Du weißt, der Tod wäre der leichtere Weg. Sterben ist leicht. Es gehört viel mehr Mut dazu, weiter leben zu wollen.“
    Langsam zog Inani sich

Weitere Kostenlose Bücher