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Töchter Der Finsternis

Töchter Der Finsternis

Titel: Töchter Der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa J. Smith
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immer noch vor sich hin, als er um die Ecke hinter das Haus ging. Was machte er überhaupt hier?

    Es war nicht einfach, von draußen in den Garten zu kommen. Er musste sich den Weg durch wuchernde Rhododendrenbüsche und Brombeerranken hacken, die eine dichte Hecke bildeten. Als er endlich aus dem Tunnel aus ledrigen, grünen Blätter herauskam, registrierte er die Szene vor ihm nicht sofort. Er lief noch ein paar Schritte, bevor sein Verstand sich einschaltete.
    He, warte. Da ist ja ein Mädchen.
    Ein hübsches Mädchen. Ein sehr hübsches Mädchen. Er konnte sie im Licht der Veranda klar erkennen. Sie hatte hüftlanges, weißblondes Haar, das fein wie Kinderhaar war und sie wie ein Schleier aus heller Seide umwehte, wenn sie sich bewegte. Sie war klein und zierlich.
    Sie trug etwas, das wie ein altmodisches Nachthemd aussah, und tanzte zur Musik eines alten Schlagers. Ein altes Radio stand auf den Stufen der Veranda. Außerdem war da ein schwarzes Kätzchen, das einen Blick auf Mark warf und in den Schatten verschwand.
    „Good bye, Ruby Tuesday ...", sang Melanie wehmütig im Radio. Das Mädchen hatte die Arme über den Kopf gehoben und bewegte sich - leicht wie eine Distelblüte im Wind, dachte Mark. Der Vergleich stimmte genau, auch wenn er ziemlich klischeehaft war.
    Als das Lied endete und ein Country- und Westernsong begann, machte sie eine Drehung und sah ihn. Wie erstarrt hielt sie inne, die Arme immer noch über den Kopf gehoben und die Handgelenke gekreuzt. Ihre Augen wurden immer größer, und ihr Mund stand offen.
    Sie hat Angst, dachte Mark. Und das vor mir. Das Mädchen sah jetzt nicht mehr so graziös aus. Sie griff hastig nach dem Radio, fummelte daran herum und schüttelte es. Sie sucht den Ausschaltknopf, dachte Mark. Ihre Verzweiflung war ansteckend. Ehe er sich versah, hatte er die Heckenschere fallen gelassen und lief zu ihr, um ihr das Radio abzunehmen. Er drehte an einem Knopf, und die Musik verstummte. Dann starrte er das Mädchen an, das seinen Blick mit silbergrünen Augen erwiderte. Sie atmeten beide so hastig, als hätten sie eine Bombe entschärft.
    „Mensch, ich hasse dieses Country-Gedudel auch", sagte Mark nach einer Minute und zuckte mit den Achseln.
    Er hatte noch nie so locker zu einem Mädchen gesprochen. Aber er hatte auch noch nie erlebt, dass ein Mädchen sich vor ihm fürchtete. So sehr fürchtete, dass er glaubte, ihr Blut unter der zarten, weißen Haut ihrer Kehle pulsieren zu sehen.
    Plötzlich hörte sie auf, ängstlich zu sein. Sie biss sich auf die Lippe und lachte herzhaft. „Ich hatte vergessen, dass für euch nicht dieselben Gesetze gelten wie für uns", sagte sie kichernd.
    „Gesetze über Countrymusik?" wagte Mark zu sagen. Er mochte ihre Stimme. Sie klang ganz normal, nicht etwa außerirdisch, und das schien sie menschlicher zu machen.
    „Gesetze über jede Art von Musik von draußen", erklärte sie. „Und auch über jede Art von Fernsehen."
    Draußen von was? dachte Mark. „Hallo, ich bin Mark Carter", stellte er sich verlegen vor.
    „Und ich bin Jade Redfern."
    „Du bist eine von Mrs. Burdocks Nichten, nicht?"
    „Ja. Wir sind erst gestern Nacht angekommen. Wir werden hier leben."
    „Na, dann herzliches Beileid", meinte Mark abfällig.
    „Herzliches Beileid? Wozu?" Jade sah sich verstohlen im Garten um.
    „In Briar Creek zu wohnen, das ist ungefähr so aufregend, wie auf einem Friedhof zu leben."
    Sie sah ihn lange und fasziniert an. „Du ... hast auf einem Friedhof gewohnt?"
    Jetzt war er an der Reihe, sie anzustarren. „Nein, ich wollte nur sagen, dass es hier total langweilig ist."
    „Ach so." Sie dachte einen Moment nach, dann lächelte sie.
    „Für uns ist es interessant. Es ist anders als dort, wo wir herkommen."
    „Und woher kommt ihr?"
    „Von einer Insel. Sie liegt nahe bei ..." Sie überlegte einen Moment. „Maine."
    „Bei Maine?"

    „Hat die Insel auch einen Namen?"
    Sie starrte ihn mit ihren großen, grünen Augen an. „Den darf ich dir nicht verraten."
    „Schon okay." Wollte sie sich über ihn lustig machen? Aber es lag weder Spott noch Necken in ihrer Stimme. Sie sah geheimnisvoll aus - und total unschuldig. Vielleicht war sie geistig behindert. Das wäre für die Kids auf der Dewitt High School ein gefundenes Fressen. Die waren nicht sehr tolerant in ihren Ansichten.
    „Hör zu", sagte er abrupt. „Wenn ich etwas für dich tun kann - also, solltest du mal in Schwierigkeiten kommen oder so -, dann sag mir Bescheid,

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