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Töchter der Luft

Töchter der Luft

Titel: Töchter der Luft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
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geschieht jetzt, Ray?«
    »Ich habe mit Arnie Garrison gesprochen. Er und Mrs. Montgomery werden sich um alles Weitere kümmern.«
    Die Vögel waren verwirrend, so fröhlich, so lebendig. Alma würde sie nie mehr sehen. Da waren Bäume, die ganz und gar bedeckt zu sein schienen mit weißen Reihern, und Alma würde sie nie mehr sehen; da waren Vögel, die wie Adler aussahen und auf Baumstümpfen hockten, die aber, wie Ray sagte, nur Geier waren. Überall am Straßenrand trieben sich kleine Herden wilder Schweine herum, und wir mußten bremsen, um Schlangen auszuweichen, die von anderen Wagen überfahren worden waren, Schwarzvipern und Klapperschlangen, und Ray erklärte mir, daß sie auf einer solchen Straße nicht entkommen könnten, daß eine Klapperschlange (zum Beispiel) nur sechs Kilometer in der Stunde zurücklegen könne, sogar als Höchstgeschwindigkeit. Ich hatte immer gedacht, eine Schlange könne ein Rennpferd schlagen, aber offensichtlich nicht.
    Ich weiß nicht, wie lange wir fuhren. Ich war einfach hilflos vor Elend. Jedesmal, wenn ich glaubte, mich endlich in der Gewalt zu haben, brach ich wieder in Tränen aus. Ray war sanft und fürsorglich, aber er konnte nichts ausrichten gegen die Gedanken und Bilder, die mir in den Sinn kamen. Ich sah sie vor mir in dem Kleid, das sie zuletzt angehabt hatte, und ich weinte. Warum mußte ihr so etwas Entsetzliches, so etwas Sinnloses zustoßen? Warum?
    Endlich kamen wir wieder hinaus ans Meer. »Wo sind wir hier?« fragte ich Ray.
    »Cape Sable.«
    »Was für ein hübscher Name. Wo ist das?«
    »Am Golf von Mexiko.«
    Wir aßen hier zu Mittag auf der Terrasse eines Restaurants mit Blick aufs Meer, und allmählich gelang es mir, mich wieder in die Gewalt zu bekommen. Und als wir etwa um halb drei aufbrechen wollten, fiel mir auf, wie müde Ray aussah. Natürlich. Er war fast die ganze Nacht aufgewesen. Also überredete ich ihn, mich fahren zu lassen, und nachdem er mich ein paar Minuten lang am Steuer beobachtet hatte, um sich zu vergewissern, daß ich mit dem Wagen zurechtkam, machte er sich’s bequem und schlief ein. Ich kam mir sehr verantwortlich für ihn vor und fuhr sehr vorsichtig. Kurz vor Miami wachte er auf und übernahm wieder das Steuer.

    Er ließ den Wagen vor dem Hotel stehen. Ehe wir ausstiegen, schaute er auf die Uhr und sagte: »Es ist drei Viertel sechs. Was willst du heute abend machen?«
    »Ich will nur bei dir bleiben. Darf ich?«
    »Du solltest eine Schlaftablette nehmen’ und ins Bett gehen.«
    »Nein. Ich will hei dir bleiben.«
    Schließlich gab er nach. »Okay. Aber ich muß noch auf einen Sprung nach oben in mein Zimmer und ein paar Telefonate erledigen. Wollen wir uns um halb sieben in der Halle treffen?«
    »Ja, Liebling.« Ich würde eine Dreiviertelstunde lang von ihm getrennt sein; aber das ließ sich wohl nicht ändern.
    Während wir ins Hotel gingen, sagte er: »Ich muß mir Zigaretten kaufen, und ich möchte nachsehen, ob irgendwelche Nachrichten für mich da sind. Willst du schon nach oben gehen?«
    »Nein.« Ich wollte nur eins, ewig bei ihm bleiben, ich wollte niemals von seiner Seite weichen. Also blieb ich bei ihm, als er zu dem kleinen Kiosk ging, wo es Zigaretten gab. Und ich blieb bei ihm, als er am Empfangspult nach Nachrichten für sich fragte.
    »Für Doktor Duer?« fragte der Angestellte. »O ja.« Und er nahm etwa ein halbes Dutzend weißer Zettel aus einem Brieffach und reichte sie ihm. Ray sah sie flüchtig durch, dann schaute er mich an, als wollte er etwas sagen; aber er sprach kein Wort. Ich sah, wie seine Züge sich verhärteten und sein Blick plötzlich bitter wurde; und als ich mich umdrehte, erblickte ich Donna und Elliott Ewing. Arm in Arm kamen sie durch die Halle. Elliott war in seiner Hauptmannsuniform, und Donna trug ihre Schiaparelli-Spinnweben und ein kleines weißes Jäckchen, das von einer Schulter baumelte; sie waren beide betrunken.
    Es konnte kein Zweifel darüber bestehen. Sie waren blau wie die Veilchen. Ich konnte nicht zu Ray sagen, laß sie, sie sind halt verliebt und ausgelassen. Sie waren betrunken, verdammt sollten sie sein, sternhagelvoll waren sie, sie taumelten und kicherten, und aller Augen in der Halle folgten ihnen.
    Ich sagte: »Ray —« Aber er hörte mich nicht. Er blieb stehen mit einem Gesicht wie aus Stein. Er sagte kein Wort, er starrte sie nur an, während sie auf uns zustolperten. Dann erblickte Donna mich, und man sah nur allzu deutlich, wie sehr sie einen in der Krone

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