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Töchter der Luft

Töchter der Luft

Titel: Töchter der Luft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
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dann sagte er: »Als man sie eingeliefert hatte, ist sie noch bei Bewußtsein gewesen. Sie hat Doktor Walker erzählt, der Kerl sei irgendwo am Strand über sie hergefallen und habe sie vergewaltigt.«
    »Ray!«
    »Wahrscheinlich hat er sich hinterher Vorwürfe gemacht. Nach Sergeant Hadleys Schätzung muß der Wagen eine Geschwindigkeit von gut hundertfünfzig gehabt haben, als sie verunglückten.«
    Ich weinte hilflos. »Und wie ist es geschehen, Ray?«
    »Der Wagen hat einen Kilometerstein gestreift, darauf hat der Kerl die Kontrolle verloren, und sie haben sich überschlagen. Er war auf der Stelle tot.«
    »Ray, sag mir, hast du sie gesehen?«
    »Ja, einen Augenblick.«
    »Wie sah sie aus?«
    »Sie schlief. Ich sagte dir’s doch.«
    »Nein, ich meine, ist ihr Gesicht verletzt?«
    »Der Wagen schleuderte, ehe er sich überschlug. Offensichtlich hatte sie Zeit, ihr Gesicht zu schützen. Sie hat Schnittwunden an den Händen und einige Kopfhautverletzungen, aber das ist nicht so schlimm wie alles andere.«
    »Gott sei Dank, daß ihr Gesicht nicht verletzt ist, Ray. Sie ist ein so schönes Mädchen, so schön.«
    Er schaltete den Gang ein, und wir fuhren los.
    Auch auf dem Rückweg sprachen wir nicht miteinander. Er ließ mich vor mich hingrübeln, und ich dachte an die arme Alma, verletzt und bewußtlos, schön und egoistisch, habsüchtig und verwirrend und doch, ich weiß nicht, mir nahe und vertraut, ein Mensch, den ich liebgewonnen hatte.
    Als wir im Charleroi ankamen, überließ Ray einem Mann aus der Garage den Wagen. Und während wir zum Fahrstuhl gingen, sagte er: »Komm bitte noch einen Augenblick mit in mein Zimmer. Ich werde dir etwas geben, damit du einschlafen kannst.«
    »Ich brauche nichts, wirklich nicht.«
    Er ließ sich gar nicht erst auf Argumente ein, sondern bedeutete dem Liftboy: »Zwölfter Stock.« Und als der Fahrstuhl hielt, nahm er mich bei der Hand und führte mich in sein Appartement. Dort wies er auf einen Stuhl und sagte: »Setz dich«, aber ich konnte mich nicht hinsetzen. Ich stand da und schaute ihn an, und er spürte, wie verzweifelt ich seinen Trost brauchte. Er nahm mich in die Arme, und ich fühlte, zum zweitenmal erst, die Härte seines Mundes und seines Körpers. Ich fing an zu weinen, und er führte mich zu einem Sessel und drückte mich sehr sanft, aber sehr bestimmt hinein. Dann ließ er mich ein kleines Weilchen allein, während ich in meine Fäuste heulte.
    Als er zurückkam, reichte er mir ein Glas mit Eiswürfeln und einer gelblichen Flüssigkeit. »Hier«, sagte er.
    »Was ist das?« fragte ich.
    »Whisky.«
    »Aber ich darf doch keinen —«
    »Doch, du darfst. Es ist reine Medizin heute. Und nimm auch das.« Er gab mir eine kleine grüne Kapsel.
    »Muß ich das nehmen?«
    »Ja.«
    Ich verschluckte mich an dem Whisky, und während ich hustete, schaute ich mich in dem Raum um, damit ich in Zukunft, wenn ich nicht bei ihm war, wußte, wie seine Umgebung aussah. Es war ein großer Raum wie bei uns und daneben ein kleinerer, der als Schlafzimmer diente. Ich war froh, daß alles ziemlich unordentlich aussah. Überall lagen Bücherstapel, und auf dem Schreibtisch türmten sich Berge von Papier, und über einer Stuhllehne hingen ein paar Hemden.
    Sobald ich wieder sprechen konnte, sagte ich: »Du brauchst hier eine Frau.«
    »So?«
    »Natürlich. Ich hätt’ nie gedacht, daß du so schlampig bist. Ich hab’ mir vorgestellt, du seist ordentlich und genau.«
    »Wie kommst du auf diese Idee?«
    »Nur so. Du weißt doch, wie Mädchen sind. Voller Phantasie.«
    »Hast du die Kapsel genommen?«
    »Ich hab’ sie hier in der Hand.«
    »Nimm sie.«
    »Nein, Ray, ich will nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Ich hab’ Angst zu verschlafen. Ich muß morgen ganz früh ins Krankenhaus.« Und bei diesen Worten fiel es mir wieder auf die Seele: »Ray — diese Kopfhautverletzungen — sind sie schlimm?«
    »Walker hält sie nicht für schlimm.«
    »Hat man ihr das Haar abgeschnitten?«
    »Ja, natürlich.«
    Er ließ mich noch eine Weile weinen; dann überredete er mich dazu, noch etwas von dem Whisky zu trinken. »Nimm die Kapsel«, drängte er, aber ich weigerte mich wieder. »Na auch gut«, sagte er. »Sobald du aufwachst morgen früh, ruf mich an. Ich fahre dich zum Krankenhaus.«
    »Danke, Ray.«
    »Ich bring’ dich jetzt in dein Zimmer.«
    »Aber Männer dürfen nicht in unser Stockwerk.«
    »Ich bin nicht Männer. Ich bin medizinisches Personal.«
    »Für mich bist du Männer. Alle

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