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Töchter der Luft

Töchter der Luft

Titel: Töchter der Luft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
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hatte. Statt Elliott herumzuschwenken und so schnell wie möglich von der Bildfläche zu verschwinden, kreischte sie los: »Carol! Carol! He, Carol! Hiiii!« Und’ sie stolperte auf mich zu, so schnell sie nur konnte, Elliott im Schlepp. Ihr Gesicht glühte; ihr rotes Haar war ein einziges Gewuschel, und es war dennoch bezaubernd; sie hüllte mich in eine Alkoholwolke. »H-hi, Carol«, lachte sie. »Kleins altes Herzblatt. Klein alte Bienenkönigin. Und Doktor Duer. Nette alte Doktor Duer. H-hi. Erinnern Sie sich an klein alten Haup’m Gluck, wie? H-he, Haup’m Glu, Teurer, komm, sach gutn Tach zu Carol und gutn alten Doktr Duer.«
    »Na, ihr da«, sagte Elliott und blinzelte uns an. »Fein. Fein, euch zu treffen, hier.«
    Ray wandte sich an mich, sehr ruhig: »Es ist wohl am besten, du bringst Miß Stewart hinauf in ihr Zimmer.«
    »Du wart mal’n Augenblick«, lallte Elliott. »Wir wolln grade ein’ Drink nehmen. Verschtehste? Souvenir Bar. Willste mitkommn? Okay, kommt alle mit.«
    Rays Stimme war tonlos: »Miß Stewart, ich halt’s für richtiger, Sie gehen auf Ihr Zimmer.«
    »Hör mal, Junge«, polterte Elliott. »Das is mein Mädchen. Du kannst sie nicht einfach wegschicken.« Er holte einmal tief Luft, legte seine große fleischige Hand Ray aufs Gesicht und drückte mit aller Kraft.
    Ray konnte sich nicht wehren, ich konnte ihm nicht helfen. Er sah nichts mehr und geriet aus dem Gleichgewicht. Er taumelte ein paar Schritte rückwärts, dann gaben seine Beine nach, und er fiel zu Boden. Er verlor seine Brille. Die Zigaretten und die Zettel, die er in der Hand gehabt hatte, lagen auf dem Boden verstreut, und als ich zu ihm eilte, schien er sich in Stein verwandelt zu haben.
    »Ray! Hast du dir weh getan? Ray!«
    Er antwortete nicht, er sah mich nicht an. Sein Blick haftete starr auf Elliott, der vor Lachen brüllte. Mittlerweile hatte sich eine Menschenmenge um uns gesammelt, mindestens dreißig bis vierzig Leute, die das Schauspiel begafften; und aus dieser Menge löste sich plötzlich die große knochige Gestalt des alten Luke Lukas mit seiner braunen Melone auf dem Kopf. »Okay, Kindchen«, sagte er zu mir und half Ray auf die Beine. »Alles in Ordnung, mein Sohn«, sagte er. »Reg dich nicht auf, mein Sohn — «
    Ray hörte nicht auf ihn. Er schüttelte Lukes Hände ab, die ihn zurückhalten wollten, ging fast auf Zehenspitzen auf Elliott zu, sagte schneidend: »Sie verdammter, dummer Narr«, und hieb ihm die linke Faust in den Magen, und während Elliott schützend die Arme senkte, holte er mit der rechten Faust weit aus und landete einen Kinnhaken, daß ich dachte, nun ist’s aus, damit hat er Elliott den Kopf vom Halse gerissen. Elliott warf die Arme in die Luft, als wollte er radschlagen, aber er fiel aufs Gesicht, wo er gestanden hatte. Seine Beine zuckten ein paarmal, dann lag er still.
    »Jesus Christus«, hauchte jemand voll tiefster Bewunderung; und ich mußte denken, mit diesem Augenblick steigen die Aktien der Magna International Airlines bestimmt um fünfzehn Prozent.
    Nicht einer rührte sich vom Fleck.
    Endlich bückte sich Ray, ganz plötzlich, rollte Elliot herum und hob eines seiner Augenlider hoch. Gott mag wissen, was er dort sah, aber ein oder zwei Sekunden später richtete er sich wieder auf, atmete schwer, drehte sich um und kam auf mich zu. Und als hätte er ein dummes Zimmermädchen vor sich, sagte er: »Bring Miß Stewart hinauf in ihr Zimmer, und sorge dafür, daß sie sofort ihre Sachen packt. Um Mitternacht geht eine Maschine nach New York, und, verstehen wir uns recht, mit dieser Maschine hat sie zu fliegen!«
    Er wartete gar nicht erst auf mein »Ja, Sir«, oder etwa »Nein, Sir«. Ihm lag nur daran fortzukommen. Luke reichte ihm seine Hornbrille und fragte strahlend: »Ist er tot, mein Sohn?« und Ray antwortete: »Nein, er ist nicht tot«, und bahnte sich seinen Weg durch die Menge zum Fahrstuhl. Er hielt sein rechtes Handgelenk umfaßt, als hätte er es sich verrenkt. Mister Courtenay und ein paar keuchende Portiers erschienen aus dem Nichts und starrten hinunter auf Elliotts Korpus; und ich beschwichtigte mich damit, daß sie ihn vermutlich wohlbehalten bei seinem General abliefern würden.
    Ich wandte mich zu Donna: »Kommst du?«
    Sie zögerte.
    Ich sagte: »Möchtest du Elliott einen Abschiedskuß geben?«
    Sie schüttelte sich. »Nein. Hier vor aller Augen?«
    »Dann laß uns gehen.«
    Es sah so aus, als wäre sie wieder ganz nüchtern. Als wir uns durch das

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