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Töchter der Luft

Töchter der Luft

Titel: Töchter der Luft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
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gleitend durch den Verkehr ohne die geringste Mühe.
    Als nächstes fand ich mich auf dem Rennplatz wieder. Wenn N. B. sagte, fortgehen und eine andere Welt sehen, dann meinte er es wortwörtlich. Ich war noch immer zu benommen, um alles aufnehmen zu können, ich hatte nur einen blendenden Eindruck von Sonnenschein und Menschenhorden in berauschenden Kleidern und einem lauten anschwellenden Lärm, der mich sehr aufregte. Aber so etwas wie ein Pferd bekamen wir gar nicht erst zu Gesicht. N. B. nahm meinen Arm und führte mich in ein Klubhaus, und ich sah mich plötzlich in einem riesigen Glaskasten sitzen, mit einem Balkon rundherum. Nur der auf- und abschwellende Lärm dröhnte weiter in meinen Ohren, und die Erregung steigerte sich von Sekunde zu Sekunde. Der Glaskasten war voller Menschen, die Mittag aßen — die Männer alle ähnlich gekleidet wie N. B., die Frauen alle aufgetakelt von Kopf bis Fuß. Es war ein einziges Kommen und Gehen. Alle möglichen Typen pendelten Unentwegt zwischen den Tischen hin und her, und von Zeit zu Zeit stürzte alles auf den Balkon, um das Ende eines Rennens zu sehen. Es war, als wäre die Hölle los.
    N. B. meinte, die Pferde können warten, zuerst kommt das Essen. Ich hätte eigentlich lieber den Pferden zugesehen, aber er gab mir sein Ehrenwort, die seien noch da, wenn wir gegessen hätten; und so fingen wir an mit Champagner-Cocktails, und dann tranken wir, während wir auf unsere Krebse warteten, noch eine Runde Champagner-Cocktails, und N. B. nahm einen Bogen Papier von irgendwoher und schrieb darauf in großen Buchstaben >IG< und zog einen Strich darunter.
    Ich sagte: »Was heißt das, >IG    Er sagte: »Das heißt, ich stehe dafür gut. Das ist Ihr Kredit.«
    »Junge«, sagte ich. »Das ist fein, daß ich Kredit habe. Aber...«
    »Hören Sie, dieser Schein ist seine tausend Dollar wert, ich leih’ sie Ihnen zum Wetten heute nachmittag.« Ich könne setzen, auf welches Pferd ich wolle, wenn ich aber seinen Rat haben wolle, so sei er nur allzu glücklich, mir einen Tip zu geben. »Zum Beispiel für das nächste Rennen, wenn ich Sie wäre, dann setzte ich hundert auf Nummer sechs.«
    »Lieber N. B.«, sagte ich. »Sie haben den Verstand verloren, ich verstehe nicht das geringste von Wetten. Seien Sie nicht komisch.«
    »Es ist nur ein Spiel, mein Herz. Mehr nicht.«
    »Aber angenommen, ich verliere. Was dann?«
    »Sehen Sie«, sagte er. »Es ist doch nur auf dem Papier?«
    Er schnippte mit den Fingern, und ein Mann kam herbeigeeilt, und N. B. flüsterte ihm etwas ins Ohr, und ich dachte, nun, wenn wir Spiele auf dem Papier machen wollen, warum nicht?
    Dieser Nachmittag ließ sich immer toller an, wuchs sich geradezu zu einem Heidenspektakel aus, die Stimmen überschlugen sich, und immer wieder rannte alles wie wahnsinnig hinaus auf den Balkon, um zu sehen, welches Pferd das Rennen gewinnen würde. Da waren Fahnen und Blumen und Flamingos und Sonnenschein und wildes Geschrei; und auch ich brüllte: »Los, Lonchinvar, los!« oder wie immer der Name meines Pferdes lautete. Es war aufregend! Und sobald ein Rennen gelaufen war, gingen wir zurück an unseren Tisch, und N. B. machte sorgfältig eine Eintragung unter >IG<, und anscheinend war ich ein Genie. Am Ende des Nachmittags sah er mich mit zufriedener Miene an und sagte: »Mein Herz. Sie haben’s recht gut gemacht.«
    »Ja?«
    »Ja, Sir, wirklich sehr gut. Sie haben runde zweiundzwanzighundert gemacht.«
    »Wer, ich?«
    »Ja, Sir, Sie, Miß Thompson. Moment, wir gehen’s gleich holen, und dann verschwinden wir hier.«
    »Sie meinen, es ist richtiges Geld?« rief ich aus.
    »Aber natürlich ist es richtiges Geld, was dachten Sie?«
    »Aber Sie haben doch gesagt, es sei nur ein Spiel, es sei nur auf dem Papier — «
    Er lachte. »Sie sind entzückend. Ja, wirklich. Sie sind entzückend.«
    Das nächste, worauf ich mich erinner ist: wir saßen wieder in dem offenen Lincoln und fuhren irgendwohin mit hundert Sachen, und ich hatte dieses dicke Paket Geldscheine in meiner Handtasche.
    »Wie spät ist es?« fragte ich N. B.
    »Gleich zwanzig nach sechs.«
    »Wo fahren wir hin?«
    »In einen kleinen Klub, den ich kenne.«
    »Ich müßte eigentlich zurück ins Hotel.«
    »Wozu? Lassen Sie’s gut sein. Sie haben ein hartes Wochenende hinter sich, ein wenig Entspannung tut Ihnen nur gut.«
    Der kleine Klub erwies sich als ganz und gar reizend wie der allerschönste Wintergarten, kühl und angenehm, mit hübschen, weiß lackierten

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