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Töchter der Luft

Töchter der Luft

Titel: Töchter der Luft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
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Eßtischchen und weiß lackierten Eßstühlen und Plattenfußboden und einem plätschernden Springbrunnen in der Mitte und einem Trio, das in einer Ecke gewissermaßen im Flüsterton spielte.
    »Gefällt’s Ihnen?«
    »Es ist wunderschön.«
    »Was möchten Sie trinken?«
    Ich schwamm immer noch in Champagner-Cocktails, wenn ich auch nüchtern war wie ein Staatsanwalt; und ich sagte: »Ich möchte, glaub’ ich, nur eine Limonade, N. B.«
    »Okay.«
    Das war das Wunderbare an N. B. Kein Druck. Nicht der kleinste Versuch, einen zu etwas zu zwingen, das man nicht wollte. Er war die Gutmütigkeit in Person und immer auf den anderen eingestellt. Und dazu gehörte schon ein besonderer Charakter, einer, der auf seine Weise wirklich stark war, und das bewunderte ich an ihm.
    »Möchten Sie tanzen?«
    Die Tanzfläche war etwa sechs Quadratmeter groß. Und auch das ist ein Prüfstein des Charakters. N. B. hielt auch beim Tanzen angemessenen Abstand, und wir ließen die Musik über uns dahinschweben, und der Kapellmeister rief: »He, N. B.«, und N. B. rief zurück: »He, Jonny.« Es war herrlich.
    Wir blieben ungefähr eine halbe Stunde, während ich meine Limonade trank und N. B. einen Wodka-Martini, und dann saßen wir wieder in dem Lincoln. Ich sagte: »Bringen Sie mich jetzt zurück ins Hotel?« Und er sagte liebevoll: »Warum?« Ich sagte: »Ich müßte eigentlich«, und er sagte: »Sie müssen doch etwas essen, nicht wahr?« Ich sagte: »Ja. Danke.«
    Alles was recht ist, wie mein Vater zu sagen pflegte. Hier war ein Mann, der mich so anständig und großzügig behandelte, wie ein Mann ein Mädchen nur behandeln konnte; ihm gefiel meine Gesellschaft (nun gut, ich will mich nicht zieren, er hatte einen Narren an mir gefressen), und ich durfte mich nicht zimperlich zeigen. Wenn es ihm Freude machte, mich noch ein paar Stunden um sich zu haben, so war ich bereit und willens, ihm diese Freude zu machen.
    Also fuhren wir zum Essen in einen anderen Klub, der viel größer und lebhafter und lauter war als der erste. Die Kapelle bestand hier aus sieben Mann, und sie hatten wirklich Schwung und Schmiß. Wir hatten einen Tisch ganz vorn; fast auf der Tanzfläche, und der Lärm war so groß, daß ich mich kaum noch denken hören konnte — und Trubel und gleißendes Licht und Hunderte von Menschen — ein Spaß!
    Die Wirkung der Champagner-Cocktails war inzwischen natürlich verflogen, ich war nüchtern wie ein Staatsanwalt; doch ich hielt mich ein wenig zurück, als N. B. mich fragte, was ich trinken möchte vor dem Essen. Zum erstenmal drängte er mich. »Trinken Sie einen Wodka-Martini, der schadet nicht einmal einem Baby.« Ich gab nach. »Nun gut«, und sobald er dem Kellner die Bestellung aufgegeben hatte, fragte er mich, wie es mit einem Tanz sei, ehe es losgehe mit dem Kabarett. Ich fragte: »Gibt es ein Kabarett?«
    »Na klar«, antwortete er. »Eins zum Dinner, dann ein volles Programm und eine Drei-Uhr-morgens-Vorstellung. Wollen Sie hierbleiben und sie alle drei sehen?«
    »Ach, liebend gern«, sagte ich, »aber ich muß um halb elf spätestens im Hotel sein.«
    Der Wodka-Martini schmeckte zumindest so, als könnte er keinem Baby schaden, und ich trank einen zweiten. Ich bestellte mir einen Krabben-Cocktail Rubens und Lammkotelett Florentine, was sich als ein doppeltes Lammkotelett herausstellte, von einem Lamm von der Größe eines Elefanten, ein wenig zu süßlich gewürzt mit Rosmarin.
    N. B. bestand auf einer Flasche Rotwein, und er mußte wohl ein Kenner sein, denn er und Gaston, der Weinkellner, führten eine sachkundige Unterhaltung über alle möglichen Sorten und Jahrgänge, und Gaston meinte abschließend: »Mister Brangwyn, Sie kennen sich aus wie immer, Sir.« Der Wein mundete prächtig, wie erstklassige rote Tinte, und er war wahrscheinlich gesättigt mit Alkohol, denn als wir uns unter die Tanzenden mischten, spürte ich keinerlei Schmerz mehr, wenngleich ich noch immer nüchtern war wie ein Staatsanwalt. Ich befand mich geradezu in diesem wunderbaren Zustand des Wohlseins, den diese Zen-Typen anstreben — eine Mischung aus Nichtvorhandensein und Vorhandensein, und das nahm eine sonderbare Form an: mein trägerloses Kleid rutschte immer wieder nach unten. Ich hatte es nur einmal anprobiert bei Lord und Taylor, und damals hatte es gesessen wie ein Handschuh. Auch auf der Rennbahn hatte es sich, wie es sich gehörte, benommen, und ebenso in dem Klub mit den kleinen Tischen. Aber in dem Augenblick, da Zen

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