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Töchter der Luft

Töchter der Luft

Titel: Töchter der Luft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
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schwimmenden Zitronenscheiben und ein großes, solides, bauchiges Schwenkglas. Er schenkte es voll und reichte es mir, und während ich es nahm, sagte ich: »Mister Brangwyn, da is doch kein Alkohol drin, nich wahr? Ich hab’ ‘nen ganz gewöhnlichen Durst, ich glaub, ich hab’ keinen Tropfen Wasser mehr im Leib, aber Alkohol will ich nicht.«
    Er beschwichtigte mich: »Miß Thompson, mein Wort, in dem ganzen Krug ist nicht ein Tropfen Alkohol. Es ist reine Limonade. Genau das, was Sie in Ihrem Zustand trinken sollten.«
    Ich goß ein halbes Glas voll hinunter. Dann holte ich tief Luft und goß die andere Hälfte hinunter. Ich stellte das Glas auf den Tisch mit einem Seufzer, und er goß es sofort wieder voll. »Junge«, sagte ich, »das hat gut geschmeckt. Jetzt brauche ich eine Zigarette.«
    Ich tastete nach meinen eigenen, aber er war mir eine Million Lichtjahre voraus. Schon hatte ich eine Tareyton unter der Nase und die Flamme seines goldenen Feuerzeugs.
    Ich rauchte eine Weile, dann sagte ich: »N. B., ich bin zu einer sehr wichtigen Einsicht über Sie gekommen. Sehr wichtig. Macht es Ihnen etwas, wenn ich’s Ihnen sage?«
    »Es macht mir nichts«, sagte er. Er lächelte nervös.
    »Ich finde«, setzte ich an. »Ich finde, Sie sind ein ganz reizender Mensch.«
    »Danke, danke, Carol.« Es freute ihn ungemein, und auf einmal war er gar nicht mehr nervös.
    »N. B.«, redete ich weiter, »sagen Sie mir ohne Umschweife. Es beschäftigt mich schon lange. Stimmt es, sind Sie ein notorischer Spieler?«
    Er lachte. »Wollen Sie wirklich eine Antwort darauf?«
    »Sie brauchen nicht darauf zu antworten, wenn es Ihnen peinlich ist, N. B. Aber wenn Sie diese unhöfliche Frage beantworten wollen, wär’s mir lieb.«
    »Nun, Carol«, fing er an, »ich mache eine Menge. Ich habe Grundbesitz. Ich bin an einer Autovertretung beteiligt. Ich bin an drei Restaurants und an einigen Nachtklubs und so weiter beteiligt. Und außerdem spekuliere ich gem. Manche spekulieren mit Aktien, ich spekuliere mit dem, was mich interessiert. Wo ist da der Unterschied? Es kommt alles auf eins ‘raus. Nur meine Art Spekulieren wird Spielen genannt. Verstehen Sie?«
    »Und ob ich es verstehe, N. B. Genau das habe ich mir gedacht. Genau das. Spekulieren, das ist das richtige Wort.«
    »Sie halten mich also nicht für so etwas wie einen Gauner?«
    »Nein, Sir. Ich nicht, N. B.«
    »Nun, das ist großartig. Das ist ein Schritt vorwärts.«
    »N. B., sagen Sie mir noch etwas. Darf ich persönlich werden?«
    »Fragen Sie erst. Dann werden wir sehen, ob Sie’s dürfen.«
    »Okay. Stimmt’s, daß Sie der Regierung hundertfünfzigtausend Dollar Einkommensteuer schulden?«
    Er machte den Mund auf und brüllte vor Lachen. »Wo haben Sie all das Zeug aufgelesen?«
    »Ich hab’s halt aufgelesen, N. B. Sie wissen, wie solche Sachen sich herumsprechen.«
    »Nun gut. Ich werd’s Ihnen erzählen. Dies mit den hundertfünfzigtausend ist nur Spinnerei. Jede Woche verdoppelt sich diese Summe. Mir soll’s recht sein. Schließlich ist das die billigste Public Relations für mich, Carol, verstehen Sie?«
    »Natürlich. Public Relations ist das A und O.«
    »Du sagst es. Das schadet mir also nicht. Das ist die fixe Idee von denen: N. B. schuldet hundertfünfzigtausend Mille, also muß er ein bedeutender Kerl sein. Bitte, ich hab’ nichts dagegen. Tatsächlich schulde ich vielleicht vierzig Mille. Das ist alles ein ziemlicher Wirrwarr. Sie kommen einfach auf keinen Nenner. Meine Anwälte zanken sich mit der Steuer, sie streiten sich hin und her, und am Ende werd’ ich mich vielleicht auf fünfundzwanzig einigen. Okay?«
    »Okay.«
    Ich trank noch mehr von der Limonade, und sofort schenkte er mir wieder ein.
    »Geht’s Ihnen besser?« fragte er.
    »Viel besser. Danke.«
    Ich lehnte mich zurück und schaute ihn an. Es stimmte. Ich hätte es nicht treffender ausdrücken können: er war ein reizender Mensch. Und von allen, die mir, gewissermaßen seit dem Tage X begegnet waren, hatte er mir am wenigsten Leid angetan. Die ganze Zeit hindurch, von dem Augenblick an, da er mir im Flugzeug eine Zigarette angeboten hatte, bis zu diesem Augenblick, da er mein Glas neu mit Limonade füllte, war er immer nur nett und freundlich und aufmerksam und zurückhaltend gewesen. Wann immer ich seine Großzügigkeit abgelehnt hatte, wie das Angebot des Wagens, wie die Einladung, hatte er es gelassen und würdevoll hingenommen. Er hatte mich nicht ein einzigesmal belästigt. Als

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