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Töchter der Luft

Töchter der Luft

Titel: Töchter der Luft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
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Krankenhaus geschickt, um eine Röntgenaufnahme machen zu lassen. Männer sind unvernünftig, nicht wahr? Sie können es anscheinend nicht einsehen, daß die menschliche Hand ein empfindliches Instrument ist und nicht als Schlagwerkzeug gedacht. In ein paar Wochen wird alles wieder in Ordnung sein.«
    Ich fing wieder an zu weinen.
    Doktor Schwartz sagte: »Mein armes Kind. Sie haben eine schwere Zeit hinter sich. Sie sind völlig erschöpft, und Sie dürfen auf keinen Fall so weitermachen. Ich möchte Ihnen ein Mittel geben, das Sie beruhigen wird, und vor allem müssen Sie sich richtig ausschlafen —« Sie schaute auf mich herab, und auch sie weinte. Himmel, die ganze verdammte Welt schien zu weinen. Doktor Schwartz sagte: »Peg, bring mir bitte ein Glas Wasser.«
    Miß Webley schlüpfte hinaus und kam sofort mit einem Glas Wasser zurück. Doktor Schwartz gab mir zwei kleine grüne Pillen, und ich schluckte sie hinunter, und ich kam mir vor wie Sokrates, als er den Schierlingsbecher leerte. Ich wußte wohl, Doktor Schwartz meinte es gut, ich wußte wohl, sie tat das, um mich aus meinem Elend zu erlösen, und doch, ehrlich gestanden, ich erwartete nicht, jemals wieder aufzuwachen.

    Ich schlief gut fünfzehn Stunden, immer noch auf Annettes Bett. Und als ich die Augen öffnete, erkannte ich mich nicht gleich wieder. Ich war einfach niemand Bestimmtes, nur Weib von ein Meter siebzig ohne Identität. Allmählich jedoch schwebte ich wieder zurück zu mir selber, und als ich vom Bett kletterte und aufstand, dämmerte mir, was Doktor Sdhwartz getan haben mußte — sie hatte mein Gehirn herausgenommen, um es auszulüften oder um es neu abzufüttem, mein Kopf kam mir so leicht vor wie eine Feder. Es war ein unheimliches Gefühl, wie mein Kopf versuchte, selbständig davonzuschweben.
    Auf der Kommode neben Annettes Bett standen zwei Zettel zusammengefaltet und aufgestellt wie Weihnachtskarten. Einer war von Jurgy. »Liebe Carol, Doktor Schwartz sagt, Du sollst nicht zum Unterricht kommen, wenn Dir nicht danach zumute ist. Miß Webley sagte das auch. Ruh Dich aus. Bis nachher. Mary Ruth (Jurgy).« Der zweite Zettel war von Donna. »Mach’s gut, Goldstück. Viel Glück. D. S.«
    Ich ging in die Küche und trank ein Glas Milch und aß einen Apfel, und auch ich sagte mir, ich könnte unmöglich an diesem ‘/ormittag zum Unterricht gehen und dort in meiner Eisernen Jungfrau sitzen, während mein Kopf sanft an der Decke entlanghüpfte. Abgesehen von allem anderen würde es die anderen stören. Und außerdem, als ich auf meine Uhr schaute, sah ich, daß es halb zwölf war — der halbe Tag war schon vorüber. Also z°8 ich meinen alten schwarzen Badeanzug an und meinen Bademantel und Sandalen und glitt hinunter mit dem Selbstbedienungslift und stelzte hinaus zum Schwimmbassin. Frische Luft, das war’s, was ich brauchte. Ich streckte mich aus in einem Liegestuhl unter einem riesigen Sonnenschirm, meine Zigaretten und Streichhölzer und Portemonnaie in einem seidenen Tuch auf dem Tisch neben mir; und da lag ich, die Augen geschlossen, nicht ganz schlafend und nicht ganz wach, und ließ die Welt an mir vorüberhuschen. Nach einiger Zeit sickerte mir ins Bewußtsein, daß mich jemand ansprach, und als ich mühsam die Augen auf schlug, sah ich/daß es mein alter und treuer Freund war, N. B.
    »Nanu«, sagte ich und schenkte ihm ein schwaches, verschlafenes Lächeln.
    »Oh, ich hab’ Sie aufgeweckt.«
    »Hab’ nich geschlafen«, erklärte ich. »Gedöööst.« Ein herrliches Wort. Ich versuchte es noch einmal. »Nur gedöööst. Wie geht’s Ihnen denn?«
    »Gut, gut.« Er strahlte mich an, und gleichzeitig schien er sich unbehaglich zu fühlen.
    »Setzensiesich, Mister Brangwyn«, sagte ich. »Sie wolln doch nich da draußen in der ollen heißen Sonne stehn bleibn. Setzensiesich. Nehmen Sie die Last von Ihm Beinen.«
    »Aber Sie wollen doch schlafen«, sagte er.
    »Das isses nich, Mister Brangwyn. Ärztin gab mir gestern abend ‘n paar Schlaftabletten, und die Wirkung is noch nich ganz vorbei. Tut mir leid, unhöflich. Setzensiesich doch.«
    Er setzte sich.
    Ich entdeckte plötzlich meinen Mund. Er fühlte sich an wie ein vollgehäufter Aschenbecher. Ich sagte: »Junge, ich hab’ Durst.« Und sah mich suchend nach Wasser um.
    N. B. sagte: »Bewegen Sie sich nicht. Bleiben Sie liegen, Miß Thompson.« Er verschwand, und als er wiederauftauchte, trug er einen riesigen Glaskrug randvoll mit Eisstücken und Flüssigkeit und

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