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Töchter der Luft

Töchter der Luft

Titel: Töchter der Luft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
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auf der Bildfläche erschien, hoppla — da fing es an, ein Eigenleben zu führen, es rutschte ganz unbekümmert nach unten und enthüllte vor aller Augen zu viel meines Charmes. Ich sah mich schon jeden Augenblick nackend bis zur Taille wie eine Araberin, die zum Brunnen schreitet mit dem Wasserkrug auf dem Haupt.
    Abgesehen davon schwamm die Welt in eitel Seligkeit für mich. Alles war fröhlich und alles war strahlend und lärmend, alles war einfach herrlich. Die erste Nummer der Vorstellung war eine Sängerin, die ein ins Blut gehendes Liebeslied sang; dann kam em zappliger junger Mann im weißen Frack mit unwahrscheinlich breiten Schultern, der ein paar anzügliche Witze zum besten gab, die ich alle schon in verschiedenen Fassungen gehört hatte.
    Und dann, um alles abzurunden, wurden die Lichter gedämpft, die Kapelle setzte ein zu Scheherazade, die Tanzfläche wurde mit roten und blauen Scheinwerfern angestrahlt, und hervor traten die drei Mädchen, die Verrenkungen und Hopser machen, und die Troddel-Trieslerin. Es war, als begegnete man alten Freunden an einem Brunnen im tiefsten Afrika. Nun, ich kannte schon alles, was sie zu bieten hatten, nur mit dem einzigen Unterschied, daß es hier zu den Klängen der Scheherazade vor sich ging und nicht zu Ravels Bolero, und daß die roten und blauen Scheinwerfer es in gewisser Weise noch spannender machten. Aber die Troddel-Trieslerin packte mich auch diesmal wieder. Das Finale war schlechthin sehenswert. Sie trat vor, und alle Scheinwerfer kreisten wie toll, und zwischen kreisenden Scheinwerfern und kreisenden Troddeln und kreisenden Brüsten und kreisendem Hinterteil und sogar einem kreisenden Nabel ward mir noch zenischer als Zen zumute. Es war unglaublich.
    Ich wandte mich zu N. B. »Ist sie nicht fabelhaft?«
    »Du magst so’n Zeug?« fragte er, als könnte er es nicht fassen, daß ich so ein niedriges kulturelles Niveau hätte. Also erklärte ich ihm, daß sie fast eine Freundin von mir sei und ich mich lange mit ihr im Sonnenbad unterhalten hätte; und kaum hatte ich ihm das erzählt, da gab’s eine neue Überraschung für mich. Während die Mädchen zum Applaus knicksten und sich verbeugten, rief er dröhnend: »Hallo, Ernestine«, und sie blinzelte zu unserem Tisch herüber und lächelte. Er deutete auf einen leeren Stuhl an unserem Tisch, und sie nickte; und sobald sie sich in der Garderobe ein Kleid übergeworfen hatte, kam sie zu uns. Das Kleid war nur dem Namen nach ein Kleid. Es bekleidete hinten ihre Schultern, aber es hatte nichts zu tun mit ihrer vorderen Hälfte; nun, wahrscheinlich war sie so daran gewöhnt, sich in der Öffentlichkeit so zu zeigen, daß sie gar nicht zu merken schien, wie ihre prallen Brüste auf dem Tischtuch lagen und die Troddeln bei jedem Atemzug schaukelten.
    »Schau an, N. B.«, sagte sie fröhlich. »Das ist aber nett, dich mal wiederzusehen. Wie geht’s, wie steht’s?«
    »Oh, ganz gut«, sagte er. »Ernestine, erinnerst du dich an meine Freundin, Miß Thompson?«
    Sie schaute mich fragend an, dann warf sie den Kopf zurück und brüllte vor Lachen. »Aber natürlich, Herzchen, erinnere ich mich an sie! Wie geht’s denn, Herzchen? Sie sehen ja toll aus, diese Farbe! Und das Kleid. Sie sehen nach einer Million Dollar aus, Herzchen. Du bist wirklich ‘n Glückspilz, N. B.«
    »Du sagst es. Trinkst du ‘nen Cognac mit uns, Ernestine?«
    »Mit Vergnügen, N. B.«
    Er schnippte mit den Fingern nach dem Kellner und bestellte drei Cognacs. Ich wollte eigentlich keinen, aber er meinte: »Pah, ein Cognac wird Ihnen nicht weh tun.« Und ich lehnte mich zurück, ergeben in mein Schicksal! Gott sei Dank hatte ich diese ungeheure Widerstandskraft gegen Alkohol. Ich war noch immer nüchtern wie ein Staatsanwalt.
    N. B. und Ernestine schienen sich von Geburt an zu kennen, sie schwatzten über alle möglichen Leute und Orte wie alte Freunde. Wie geht’s Ted? Was macht Bosco? Hast du Gwen mal wieder gesehen? Und ich saß vor meinem Cognac, fasziniert von diesen beiden schaukelnden Troddeln; und ich muß wohl so fasziniert davon gewesen sein, daß N. B. plötzlich in meine Gedanken hinein rief: »He, Carol, wovon träumst du?«
    Ich wollte ihn nicht belügen. Ich sagte: »Von den Troddeln.«
    Er sagte: »Machst du Witze?«
    »Mitnichten, N. B., ich finde sie einfach faszinierend.«
    »Im Ernst?«
    »Natürlich, im Ernst. Ich bin ganz verschossen darin.«
    Er sagte: »Ernestine, gib sie ihr.«
    »Okay, ich geh’ schnell in die

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