Töchter der Sechs (German Edition)
als er das Schiff zum letzten Mal begutachtet und ihr mit einer herzlichen Umarmung die Urkunde zur bestandenen Lehre überreicht hatte.
„Ich weiß, Vater. Wie sollte es auch anders sein bei einem solchen Lehrer.“ Sie umarmte ihren Vater und, obgleich sie es zu unterdrücken suchte, rollten einige Tränen über ihre Wange. Dabei war dies noch kein richtiger Abschied, denn wenn alles nach Plan verlief, würden sie in weniger als zwei Monden wieder zurück in Jal sein. Ursprünglich hatte Aden sie begleiten wollen, damit sie die Lichtung fanden, doch Mawen hatte ihn davon abgebracht, indem er Yerinas Bedenken anführte, dass es möglicherweise dem Willen der Götter widersprach, wenn die drei Auserwählten nicht alleine reisten. Außerdem hatte Aden eingestehen müssen, dass er den Weg auch nicht sicher kannte, da sie sich damals lediglich an der Linie der Kraft orientiert hatten und dies auch schon mehr als achtzehn Jahre her war. Daher hatte sich Adens Hilfe darauf beschränkt, die ungefähre Lage der Lichtung auf einer Landkarte einzuzeichnen. Sie würden sich also zu dritt auf den Weg machen und sich im Zweifel auf die Führung der Götter verlassen müssen.
Auch ihre Mutter und ihre Brüder waren gekommen, um sich zu verabschieden und ihnen alles Gute für die Reise zu wünschen. Nacheinander umarmte sie jeden und auch Mawen und Zada wurden aufs Herzlichste verabschiedet.Ihr blieb keine Zeit, weiter über die nachzudenken, die sie zurückließ, denn nun erforderte das Ablegemanöver ihre volle Aufmerksamkeit. Erst als sie den Hafen hinter sich gelassen hatten, war es ihr vergönnt, einen letzten Blick auf Jal zu werfen und dem Wind stille Abschiedsworte zuzuflüstern.
Mawen merkte gleich, wie sehr sich das kleine Schiff von denen unterschied, auf denen er bisher gereist war. Die Kraft des Meeres und des Windes waren viel unmittelbarer zu spüren. Glücklicherweise war das Meer an diesem Tag ruhig und der Wind blies gerade stark genug, um das Segel des kleinen Schiffes zu füllen und es Fahrt aufnehmen zu lassen. Er verbot sich den Gedanken an stürmische See, auf dass ihn nicht der Mut verließ. Auch wollte er sich keine Blöße geben, denn weder Zada noch Darija schienen von solchen Bedenken heimgesucht zu werden. Er würde einfach auf Darijas seefahrerisches Können vertrauen müssen. Um sich abzulenken, bat er Zada, mit ihm an der helwarischen Sprachlehre zu arbeiten, da er dies in den Tagen in Jal sträflich vernachlässigt hatte. Seine Aufmerksamkeit war gefesselt gewesen von der für ihn neuen Stadt und auch von Darija und ihrem Schiff. Bisher hatte er sich nur wenig mit Schifffahrt und -bau beschäftigt, doch Darija verstand es, sein Interesse daran zu wecken, und so hatte er ihr und auch ihrem Vater allerlei Fragen dazu gestellt. Außerdem waren noch einige anderen Vorbereitungen für die Reise zu treffen gewesen. Darüber war die Arbeit an dem Buch in den Hintergrund getreten. Auch stießen Zada und er immer häufiger an Grenzen, den Zadas helwarischer Wortschatz war der einer Sechsjährigen. Es war schon ein Glücksfall gewesen, dass ihr die Legende bekannt gewesen war, denn sonst wäre sie sicher an einigen komplizierten Wörtern gescheitert. Dennoch würde er seine Bemühungen noch nicht einstellen, sicher kannte Zada noch einige Worte, die er bis jetzt nicht notiert hatte. Außerdem musste er auch mit dem Lernen der Sprache fortfahren. Darija wollte er damit jedoch zunächst nicht belasten, sie musste sich auf das Segeln konzentrieren. Sobald sie ihren Weg zu Fuß begannen, würde er jedoch mit dem Unterricht für sie beginnen.
Jahr 3619 Mond 5 Tag 20
Syyn
Wie vorausgesagt, erreichten sie Syyn am Abend des zweiten Tages. Es gelang ihnen mühelos, für ihr Schiff einen Platz in einer Lagerhalle zu mieten. Sicherheitshalber zahlten sie für drei Monde im Voraus, bevor sie sich nach einem Gasthaus für die Nacht umsahen. Dies würde für eine Weile ihre letzte Nacht in einem Bett sein, denn soweit sie wussten, gab es im Landesinneren keine Dörfer auf ihrem Weg. Zwar hatte der Uralt-Wald seinen Schrecken und Zauber verloren und war nun ein Wald wie jeder andere, dennoch gab es kaum etwas in der Nähe, dass die Gründung einer Siedlung rechtfertigte. Das Land war nicht besonders fruchtbar und auch das Holz lockte nur wenige. Gelegentlich kamen Holzfäller in den Wald, doch diese blieben nur so lange, bis sie eine Wagenladung Holz geschlagen hatte. Auch einzelne Gasthäuser lohnten
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