Töchter der Sechs (German Edition)
großer Macht ist, dann wäre es auch möglich, dass die Götter direkt zu uns sprechen.“ Der Einwand kam von Zada. „Lasst uns die Götter um ein Zeichen bitten.“
Während Zada und Mawen berieten, was zu tun sei, lauschte Darija nur stumm. Sie wusste nicht, was sie beitragen sollte. Auch wusste sie nicht, wie es ihnen weiterhelfen sollte, wenn sie endlos über die möglichen Gründe dieses Fehlschlages spekulierten. Das führte zu nichts. Nach einer Weile entfernte sie sich von den beiden und lief ziellos über die Lichtung. Dann näherte sie sich dem schwarzen Steinwürfel, um ihn genauer in Augenschein zu nehmen. Da sie nie in Aaran gewesen war, kannte sie den dort stehenden Heiligen Würfel nicht. Neugierig machte sie besonders die Tatsache, dass der Würfel auf der Ecke stand. Zwar wusste sie, dass dies ein Werk der Götter war, aber genauer ansehen wollte sie es sich dennoch. Als sie den Würfel von allen Seiten betrachtete, kam ihr eine Idee: Die Schrift auf dem heiligen Würfel war erschienen, als Zada ihn berührte, vielleicht verhielt es sich hier ähnlich. Zögerlich ließ sie ihre Hände über die Oberfläche des Würfels gleiten, die sich zu ihrem Erstaunen rau anfühlte. Auch wenn sie etwas anderes gehofft hatte, so war sie nicht verwundert, dass keine Schriftzeichen erschienen. Das wäre auch zu einfach gewesen. Dennoch würde sie ihre Überlegungen mit Mawen und Zada teilen.
Darija hatte einen interessanten Punkt angesprochen, denn sie prüfen mussten, bevor sie ihre Reise in den Uralt-Wald als Fehlschlag werteten. Nacheinander berührte ein jeder den schwarzen Würfel, doch eine Reaktion blieb aus. Auch ein gemeinsames Berühren zeigte kein Ergebnis. Daher bat Mawen sie, noch mal genau zu beschreiben, wie es sich damals beim Heiligen Würfel abgespielt hatte. Als sie ihren Bericht beendet hatte, gab er zu bedenken: „Vielleicht ist der Zeitpunkt entscheidet. Es ist die verbreitete Meinung, dass die Tage der Sonnenwenden Zeiten großer Macht sind. Die Sommersonnenwende ist nah, möglicherweise müssen wir bis dahin warten.“
Sie dachte kurz nach, bevor sie ihm antwortete: „Das klingt logisch. Es sind noch zwölf Tage bis dahin. So lange können wir warten. Sollte diese Entscheidung falsch sein, so bin ich sicher, dass die Götter uns ein Zeichen senden werden. Seid ihr damit einverstanden?“
Die beiden anderen nickten. „Unser Proviant wird nicht reichen. Wir werden versuchen müssen, noch mehr in der Natur zu sammeln.“ Darijas Einwand war berechtigt, denn der Proviant war ohnehin knapp kalkuliert gewesen und war die ganze Reise über entsprechend der Möglichkeiten durch Beeren, Früchte und essbare Pflanzen aufgestockt worden. Nun war dieses Vorgehen überlebenswichtig.
Mawen hoffte, dass sich die Vermutungen bezüglich der besonderen Macht der Sommersonnenwende bewahrheiteten. Ansonsten wäre dies nur eine unglaubliche Zeitverschwendung. Aber zumindest mussten sie jetzt nicht mehr jeden Tag wandern und hätten mehr Zeit für den Sprachunterricht.
Jahr 3619 Mond 6 Tag 18
Uralt-Wald
Leider erwiesen sich der Sprachunterricht und das Sammeln von Nahrung als die einzigen sinnvollen Aktivitäten. Sie waren jetzt seit zehn Tagen auf der Lichtung und waren das Warten langsam leid. Besonders Darija litt unter der Untätigkeit. Sie war tägliche körperliche Arbeit gewöhnt und der Sprachunterricht bereitete ihr wenig Freude. Zwar sah sie die Notwendigkeit, doch das steigerte ihre Motivation kaum. Mawen und Zada schienen weniger Probleme mit dem Warten zu haben. Zada saß häufig stundenlang vor dem schwarzen Würfel, versenkt ins Gebet. Mawen arbeitete voller Eifer an seinen Aufzeichnungen über die helwarische Sprache. Ihr blieb nur, die Beschaffung der Nahrung zu übernehmen. Glücklicherweise war dies kein großes Problem, denn es war Frühsommer und der Wald war voller Beeren und Früchte. Verhungern würden sie nicht, doch das Essen war genauso eintönig wie der Tagesablauf.
Mehr als die Langweile störte sie sich jedoch insgeheim an der engen Verbundenheit zwischen Zada und Mawen. Immer wieder fand sie die beiden in tiefgründige Gespräche versenkt vor, gelegentlich lachten sie auch über Dinge, die sich ihrer Wahrnehmung offensichtlich entzogen. Darija fühlte sich ausgeschlossen und einsam. Zwar behandelten die beiden sie stets freundlich, waren offen und herzlich, doch es blieb ein seltsames Gefühl.
Gerne wäre auch sie so vertraut mit Mawen
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