Töchter der Sechs (German Edition)
Dutzend Seeleuten, das sie nach Aaran bringen würde. Die Überfahrt würde wohl zwölf Tage dauern, eine lange Zeit, wenn man nichts zu tun hatte. Zwar hatte sie die Seeleute gebeten, sich nützlich machen zu dürfen, doch diese hatten es abgelehnt. Schließlich war sie eine Frau. Zada verbrachte noch immer einen Großteil ihrer Zeit mit ihrer Schwester, also blieb ihr nur Felkan als Gesellschaft. Schon am Vortag hatte er sie gebeten, ihm weiter Sprachunterricht zu geben. Wenn sie sich auf der Reise nicht zu sehr langweilen wollte, würde sie seiner Bitte wohl entsprechen müssen. Eigentlich war er ja auch ganz nett. Manchmal hatten sie richtig Spaß gehabt. Sie erinnerte sich daran, wie er sie einfach über Deck getragen hatte. Entgegen ihrer Behauptung hatte sie sich damals vollkommen sicher in seinen Armen gefühlt. Auch hatte er schon lange nicht mehr erwähnt, dass er ihr sein Leben verdankte und ihr daher etwas schuldig sei.
Jahr 3620 Mond 5 Tag 5
Südliches Meer
Es war ihr dritter Tag auf See. Felkan genoss den frischen Seewind, während er seinen morgendlichen Spaziergang an Deck absolvierte. Die Frauen schliefen wohl noch, denn er konnte keine von ihnen entdecken. Die Sonne begann ja auch gerade erst aufzugehen. Langsam färbte sich der Himmel rot, während sich die Farbe des Meeres von nachtschwarz zu violett änderte. Noch nie hatte er die Schönheit eines Sonnenaufganges so bewusst wahrgenommen. Er vernahm Schritt und wandte sich um. Es war Darija. „Entschuldigt, ich wollte Euch nicht stören.“
„Ihr stört nicht, ich habe nur gerade ....“ Er kannte das cytrianische Wort für Sonnenaufgang nicht, doch Darija half ihm sogleich. Er wiederholte es und sie nickte. „Euer Cytrian ist schon viel besser geworden. Bald beherrscht Ihr es besser als ich Helwarisch.“
„Wenn Ihr mögt, kann ich Euch darin weiter unterrichten. Allerdings wüsste ich nicht, wozu das gut sein sollte. Schließlich sind wir die Einzigen, die es sprechen.“
„Sollte Mawen Erfolg haben, ist es gut möglich, dass wir bald weitere Besucher von Helwa begrüßen können.“
Ihre Worte ließen ihn lächeln. Sie wollte also wirklich Unterricht bei ihm nehmen. Er konnte also noch mehr Zeit mit ihr verbringen.Gemeinsam schauten sie noch eine Weile aufs Meer hinaus, dann gingen sie, um mit Tira und Zada die Morgenmahlzeit einzunehmen.
Jahr 3620 Mond 5 Tag 8
Tempel-Oase
Zehn Tage lang mühte sie sich nun schon damit ab, den Sand aus dem Tempel zu befördern und doch konnte sie bis jetzt kaum mehr als die Hälfte des Bodens sehen. Anfangs hatte sie sich noch über jedes Wort gefreut, dass sie freigelegt hatte, doch bald hatte sie gemerkt, dass die Worte keinen Zusammenhang hatten. Vermutlich hatte sie doch an der falschen Seite begonnen, auch wenn sie die vom Eingang aus gesehen rechte obere Ecke mit Bedacht ausgewählt hatte. Schließlich begann man auf einem Blatt Pergament auch rechts oben mit dem Schreiben. Aber auch wenn die Worte noch keinen sinnvollen Text ergaben, so waren sie wenigstens helwarisch und sie kannte auch bei jedem die Bedeutung. Verschiedentlich waren Begriffe aufgetaucht, die einen Bezug zum Göttlichen hatten, es war also wirklich ein Tempel gewesen.
Den Sand zu entfernen war anstrengend, besonders, da sie keinerlei Werkzeuge hatte. Sie grub mit den bloßen Händen und trug den Sand in einem ihrer Tücher hinaus. Auch verteilte jeder Windstoß wieder neuen Sand. Daher begann sie jeden Tag damit, die schon freigelegte Fläche zu fegen. Sei hatte den behelfsmäßigen Besen schon zwei Mal erneuern müssen. Das eigentlich Unangenehme an der Arbeit aber war, das ihre Hände zwar beschäftigt waren, ihr Geist jedoch nicht. Daher konnte sie kaum verhindern, immer wieder an Elec zu denken. Zahlreiche Begebenheiten ihrer gemeinsamen Zeit hatte sie so nochmals durchlebt, beginnend von ihrem ersten Zusammentreffen im Palastgarten von Heet bis zu jenem Augenblick, an dem der Sandsturm sie voneinander fortgerissen hatte. Während ihr anfangs jeder Gedanke an Elec einen Stich ins Herz versetzt hatte, empfand sie inzwischen auch Dankbarkeit für all die kostbaren Momente, die ihr mit ihm vergönnt gewesen waren. Zwar tat es noch immer weh, doch die rasende Trauer wich langsam einer Wehmut und sanftem Bedauern. Auch hatte sie damit aufgehört, sich Vorwürfe zu machen. Sie hatte nicht ahnen können, dass es so kommen würde. Auch trug sie keine Schuld daran, dass die Götter sie zusammengeführt
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