Töchter der Sechs (German Edition)
hatten.
Jahr 3620 Mond 5 Tag 10
Palast in Heet
Ein jeder nahm es als selbstverständlich hin, dass Elec nach und nach die Regierungsgeschäfte seines Vaters übernahm. Willig weihten ihn die Palastbeamten in alle Belange des Reiches ein. Je mehr erfuhr, umso klarer wurde Elec, wie sehr die Machtgier das Urteilsvermögen seines Vaters getrübt hatte. Kaum eine Anordnung war zum Wohle des Volkes erlassen worden. Noch wagte er es nicht, neue Gesetze zu verkünden, doch sobald der offiziell zu König gekrönt worden wäre, gäbe es eine Menge zu tun.
Trotz der Bemühungen der besten Heiler erlangte sein Vater nur noch selten das Bewusstsein, meist wechselten Fieberträume sich mit tiefer Bewusstlosigkeit ab.
Jahr 3620 Mond 5 Tag 10
Südliches Meer
Darija und Felkan saßen jeden Tag mehrere Stunden beisammen, um sich gegenseitig in ihrer jeweiligen Muttersprache zu unterrichten. Wenn sie gerade nicht lernten, sah Zada sie häufig gemeinsam über Deck wandeln. Die Blicke, die sie dabei bisweilen austauschten, sprachen Bände. Sie hatte sich also nicht getäuscht, was die Anziehung zwischen den beiden betraf. Hoffentlich fanden sie bald den Mut, einander ihre Gefühle zu offenbaren. Dies setzte allerdings voraus, das Darija sich ihre Gefühle selbst eingestand. Da sie gerade mit Darija allein war, entschied Zada, ihrer Freundin einen Denkanstoß zu geben. „Ihr verbringt viel Zeit mit Felkan.“
„Wir versuchen nur, die Zeit sinnvoll zu nutzen. Außer Sprachunterricht gibt es hier ja nicht viel zu tun.“
„Aber Ihr lernt doch nicht den ganzen Tag.“
„Doch, eigentlich schon. Jedes Gespräch ist doch eine gute Übung. Wenn Felkan einen Beruf erlernen will, muss er doch unsere Sprache beherrschen.“
„Ihr tut das also aus purer Freundlichkeit?“
„Sicher. Warum denn sonst?“
„Nun, ich habe den Eindruck, dass Ihr Felkans Gesellschaft genießt.“ Sie warf Darija einen vielsagenden Blick zu. „Und er die Eure.“
„Schaut nicht so. Er ist einfach nur ein Freund.“
„Soso.“ Damit ließ Zada es bewenden. Sie sah, wie unbehaglich Darija bei dem Gespräch zumute war, und wusste, dass sie ihr Ziel erreicht hatte. Sie ging, um Darija Zeit zum Nachdenken zu geben.
Was hatte Zada da andeuten wollen? Sie fand Felkan sympathisch und die Gespräche mit ihm waren ein guter Zeitvertreib. Nun, sie musste zugeben, dass er sie oft zu Lachen brachte. Auch hatten sie schon so manches tiefgründige Gespräch geführt. Sie dachte daran, wie er ihr am Vortag eine Strähne ihres Haares aus dem Gesicht gestrichen hatte. Seine Berührungen hatten ein Kribbeln in ihrem Bauch ausgelöst, das noch lange anhielt. Ein solches Gefühl hatte sie noch nicht oft verspürt. Wenn sie darüber nachdachte, stellte sie fest, dass es stets im Zusammenhang mit Felkan stand. Konnte dies Liebe sein?
Sie erinnerte sich an ein Gespräch, dass sie einmal – sie war vielleicht fünfzehn gewesen – mit ihrer Mutter darüber geführt hatte. Sie hatte von ihrer Mutter wissen wollen, woran sie erkannt hatte, dass sie ihren Vater liebt. Damals waren die Antworten für sie ziemlich wage und rätselhaft gewesen. Von einem Kribbeln hatte ihre Mutter auch gesprochen und davon, dass man sich einfach wohl bei Aden gefühlt habe. Als Darija es genauer wissen wollte, hatte ihre Mutter nur gemeint, sie würde es schon merken, wenn sie dem richtigen Mann begegnen würde.
War Felkan etwa der Richtige? Wenn man die Umstände ihrer Bekanntschaft bedachte, so war dies nur schwer vorstellbar. Schließlich war er einst so etwas wie ihr Feind gewesen. Andererseits hatten sie einander da noch nicht wirklich gekannt. Er war für sie einfach der Soldat gewesen und sie für ihn die Fremde, von der sein König behauptet hatte, sie sei gefährlich. Nun aber kannten sie einander besser. Sie wusste jetzt, dass Felkan ihr nie hatte schaden wollen. Er war ein guter Mensch. Wahrscheinlich hatte sie das schon erkannt gehabt, als sie ihr Leben aufs Spiel setzte, um ihn zu retten. Vielleicht sollte sie sich in dieser Sache wirklich auf ihr Gefühl verlassen und nicht zu lange darüber nachgrübeln. Sie merkte, wie ihre Gedanken begannen, sich im Kreis zu drehen. Musste sie sich etwa einfach eingestehen, dass sie sich in Felkan verliebt hatte?
Doch wie sollte es nun weitergehen. Sollte sie es ihm sagen? Wie würde er wohl reagieren? Und was wäre, wenn er nicht das Gleiche empfand wie sie? Vielleicht sollte sie mit Zada darüber
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