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Toechter Der Suende

Toechter Der Suende

Titel: Toechter Der Suende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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können. So aber musste sie die Hände in den Schoß legen und warten, bis Reckendorf den Befehl des Fürstbischofs befolgte und Hildegard freiließ. Immer wieder ertappte sie sich dabei, dass sie auf dem Söller saß und auf die Straße hinabblickte, in der Hoffnung, Hildegard auftauchen zu sehen. Stattdessen entdeckte sie zwei Tage später einige kleine Wagen und um diese herum eine Gruppe von Leuten in buntscheckigen Kleidern, die tief im Tal Richtung Volkach zogen.
    »Das ist fahrendes Volk«, sagte sie zu Lisa, die ihr Gesellschaft leistete. »Wäre diese leidige Sache mit Hildegard nicht, würde ich sie hierherrufen lassen und ein Fest geben. Doch so ist es unmöglich.«
    »Vielleicht haben diese Leute etwas von Reckendorf gehört«, wandte Lisa ein. »Wir sollten mit ihnen reden.«
    Marie blickte den Fremden nach, die mit wachsender Entfernung immer kleiner wurden, und überlegte. »Das soll Trudi tun«, sagte sie, als sie zu einer Entscheidung gekommen war. »Ich will es dir in deinem Zustand nicht zumuten, bis fast zum Main zu reiten, und ich selbst bin alt und steif geworden.«
    Die Weltverdrossenheit in ihrer Stimme erschreckte Lisa. »Du bist doch nicht alt, Mama. Ich kenne Menschen, die haben dir noch ein, ja zwei Jahrzehnte voraus.«
    Marie seufzte. »Von all jenen, denen ich in jungen Jahren begegnet bin, haben die meisten unsere Welt bereits verlassen. Am schwersten war es, als ich Michel verlor. Vielleicht wäre er immer noch da, hätte ihn nicht Gressingens hinterhältiger Dolchstoß dahingerafft. Andere sind jedoch gestorben, weil ihre Zeit gekommen war. Denke nur an Hiltrud, die Ziegenbäuerin! Sie fehlt mir in dieser Situation ganz besonders.«
    Maries Augen füllten sich mit Tränen, als sie an ihre älteste und treueste Freundin dachte. Lisa fragte sich, wie sie ihre Mutter aufmuntern konnte, während diese noch immer in die Richtung starrte, in der die Gaukler inzwischen hinter einem Hügel verschwunden waren.
    Lisa ließ den Blick schweifen und entdeckte einen Mann, der aus Richtung Osten auf die Burg zukam. »Schau, Mama! Wer mag das sein?«
    Marie kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. Trotzdem dauerte es geraume Zeit, bis sie die Kibitzsteiner Farben auf dem schmutzigen Wams des Wanderers erkannte.
    »Das muss Kunner sein, der Reckendorf folgen sollte. Ich dachte schon, er wäre entdeckt und gefangen genommen worden!«, rief sie erleichtert aus.
    »Das ist er offenbar nicht. Nur das Pferd hat er verloren!« Lisa sprang auf und wollte rasch zur Treppe. Dabei stolperte sie aber über die eigenen Füße und wäre gefallen, hätte Marie sie nicht gehalten.
    »Vorsicht, mein Kind! Eine schwangere Frau ist kein Reh, das springen kann, wie es ihm beliebt«, mahnte Marie ihre Ziehtochter und zog sie kurz an sich. »Ich will doch nicht, dass dir etwas passiert.«
    »Danke, Mama!« Lisa atmete erst einmal durch, bevor sie sich wieder in Bewegung setzte. Das geschah nun so bedächtig, dass Marie trotz ihres Alters und des Stockes, auf den sie sich stützen musste, mit ihr Schritt halten konnte.
    Unten auf dem Hof hatte sich schon Trudi eingefunden. Der Türmer hatte ihr Kunner gemeldet, und sie war nicht weniger gespannt als ihre Mutter und ihre Schwester, was der Reisige zu berichten wusste.
    Als der Mann durch das Tor trat, sahen sie, wie abgerissen er war. Außerdem wirkte er niedergeschlagen, als habe er eine sehr schlechte Botschaft zu vermelden. Maries Herz krampfte sich zusammen, und sie flehte die Heilige Jungfrau und ihre persönliche Schutzheilige Maria Magdalena an, ihr allzu Schlimmes zu ersparen.
    Kunner blieb vor den drei Frauen stehen und versuchte zu sprechen, doch er brachte nur ein Krächzen hervor. Daher winkte Marie einer Magd, ihm einen Becher Wein zu reichen. Erleichtert nahm der Mann diesen entgegen und trank ihn in einem Zug leer. Dann räusperte er sich und sah seine Herrin treuherzig an. »Das hat gutgetan! Ich habe seit gestern nur ein wenig Wasser getrunken, und zu essen gab es auch nichts.«
    »Du wirst alles bekommen, aber jetzt sprich! Hast du Nachricht über meine Tochter?«, fragte Marie angespannt.
    »Ja! Wenigstens stimmte das, was ich berichten kann, noch bis vor drei Tagen«, antwortete der Waffenknecht. »Reckendorf hat die Jungfer ins Bambergische gebracht und hält sie dort bei Kirchlauter in einer abgelegenen Burg gefangen. Zweihundert Männer würden ausreichen, das alte Gemäuer zu nehmen. Reckendorf hält sich noch immer dort auf, ebenso sein

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