Toechter Der Suende
Gaukler weitere Reiter und zwei von Pferden getragene Sänften. Nun zeichnete sich Angst auf den Gesichtern ab. Dennoch ging der Anführer den Ankömmlingen ein paar Schritte entgegen.
»Grüß Euch Gott, edle Dame. Was führt Euch zu uns?«, fragte er Trudi mit schlecht verhohlenem Misstrauen.
»Dir und deinen Leuten Gottes Gruß. Meine Mutter will mit dir sprechen. Wenn du ihr gehorchst, wird es sich für dich und die Deinen lohnen!«
Die Gruppe zählte etwa zwanzig Menschen, von denen ein Drittel Kinder waren. Aus der Ferne hatten sie mit ihren bunten Gewändern noch einen fröhlichen Anblick geboten. Doch jetzt nahm Trudi wahr, wie abgerissen und mager sie wirkten. Offensichtlich war es ihnen in letzter Zeit schlecht ergangen.
Der Anführer bemerkte, wie die Besucherin ihn und seine Gruppe musterte, und fragte sich, was deren Mutter von ihm wollte. Ihm wurde mulmig bei dem Gedanken, man könnte seinen Jüngsten dabei beobachtet haben, wie dieser den beiden Hühnern blitzschnell den Kragen umgedreht und sie unter seiner Kleidung versteckt hatte. Die Burgherren, aber auch die Bauern machten wenig Federlesens mit seinesgleichen. Einige von ihnen würden an einem Baum hängend zurückbleiben und den Raben als Futter dienen, und die anderen konnten von Glück sagen, wenn man sie mit einem Teil ihrer Habe weiterziehen ließ.
Trudi nahm die Angst in seinen Augen wahr und lächelte in sich hinein. Ohne den Mann weiter zu beachten, ritt sie einmal um die lagernde Gruppe herum und sah dort ebenfalls in furchtsame Mienen. Wie es aussah, hatten diese Menschen in letzter Zeit keine guten Erfahrungen gemacht. Ein paar Münzen und ein paar Lebensmittel werden wohl als Bezahlung genügen, dachte sie, während sie auf ihre Mutter wartete.
Marie erschien kurze Zeit später und stieg ächzend aus ihrer Sänfte. Als sie vor dem Anführer stand, hielt sie kurz den Atem an, denn eine Erinnerung aus lange vergangenen Zeiten stieg in ihr auf. Aber sie bekam sie nicht richtig zu fassen.
»Wer bist du?«, fragte sie und bemühte sich um einen strengen Ton.
»Mein Name ist Jossi Jossan. Ich bin der Prinzipal dieser Gaukler-und Spielgruppe«, antwortete der Anführer in dem Bestreben, keinen Fußbreit Boden preiszugeben.
Marie erstarrte. Jossi! So hatte der Anführer der Gaukler geheißen, mit denen Hiltrud und sie vor langer Zeit gezogen waren. Sie betrachtete den Mann genauer und fand, dass er dem damaligen Anführer wie aus dem Gesicht geschnitten war. Vom Alter her konnte es sich nur um einen der kleinen Jungen handeln, die sie damals bei der Gruppe gesehen hatte. Jossis Ältesten, der etwa in ihrem Alter hätte sein müssen, suchte sie jedoch vergebens.
Marie atmete tief durch, als sie sich so plötzlich mit der eigenen Vergangenheit konfrontiert sah. Einige der Gaukler, die hier lagerten, waren gewiss dabei gewesen, als Hiltrud sie halbtot am Wegesrand gefunden und mitgenommen hatte. Sie suchte nach ihr bekannten Personen, doch die Zeit hatte zu viele Falten und Schrunden in die damals noch jungen Gesichter gezeichnet. Unwillkürlich griff sie sich an die Wange. Sie war genauso alt wie jene Gaukler, die sie in ihren jungen Jahren gesehen hatte, doch bislang hatte sie sich nicht greisenhaft gefühlt. Nun musste sie gegen den Gedanken ankämpfen, eine alte Frau zu sein. Du darfst nicht schwach werden, rief sie sich zur Ordnung. Hildegard braucht dich!
»Nun, Jossi Jossan«, sprach sie den Anführer an. »Ich biete dir ein Geschäft an. Du wirst mit deinen Leuten zu einer bestimmten Burg reisen, um dort eure Kunststücke zu zeigen. Ich und ein paar andere werden verkleidet mit euch kommen.«
»Ihr wollt heimlich in diese Burg eindringen? Weshalb?«
»Es gibt Dinge, um die du dich nicht kümmern solltest. Ihr erhaltet guten Lohn und fettere Hühner als die, die ihr unterwegs aufgelesen habt.« Ein Lächeln begleitete Maries Worte, und der Prinzipal ahnte, dass sie mehr über das Leben wissen musste, das er und seine Leute führten.
»Wenn wir den Hals riskieren sollen, wollen wir auch wissen, warum«, beharrte er.
»Nun gut! Der Besitzer jener Burg hat meine jüngste Tochter gewaltsam entführt. Wir suchen nach einer Möglichkeit, wie wir sie befreien können. Dafür müssen wir in die Burg. Helft ihr uns, vollbringt ihr nicht nur ein gutes Werk, sondern erhaltet auch eine Belohnung von mir.«
»Und was sollen wir tun?«, wollte Jossi wissen.
Um Maries Lippen spielte ein übermütiges Lächeln. »Ihr werdet mit euren
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