Toechter Der Suende
schlechten Laune zu deuten wussten, ging er zu seinem Stuhl und wartete, bis alle Anwesenden sich erhoben hatten. Dann nahm er Platz. Eine große Lücke an der Tafel machte ihn darauf aufmerksam, dass Bruno von Reckendorf und dessen vier Freunde noch nicht erschienen waren. Dagegen waren andere Ritter, die sich beim Turnier Blessuren zugezogen hatten, längst von ihren Knechten und Knappen hereingeleitet oder gar getragen worden. Obwohl diese Missachtung ihn ärgerte, gab sie ihm zumindest die Gelegenheit, noch ein wenig über die Situation nachzudenken.
Sein Verwandter Reckendorf würde den Gesichtsverlust, den er erlitten hatte, nicht einfach hinnehmen, insbesondere, da seine Abneigung gegen Falko Adler einen weiteren Grund hatte, von dem der Kibitzsteiner nichts ahnte. Gottfried Schenk zu Limpurg biss die Zähne zusammen, um seinem Ärger nicht laut Ausdruck zu geben. Der junge Narr, wie er Bruno von Reckendorf im Stillen nannte, hätte sich in seine Pläne fügen sollen, statt Falko Adler herauszufordern. Jetzt herrschte offene Feindschaft zwischen beiden Sippen, und es würde schwer für ihn werden, sein Vorhaben doch noch in die Tat umzusetzen.
Der Blick des Fürstbischofs blieb auf Falko haften. Ein prachtvoller Bursche, dachte er. Zwar war der junge Ritter nur etwas über mittelgroß und schlank wie eine Tanne, aber ein geschickter und schneller Kämpfer. Allerdings hatte er ein arg hübsches Gesicht, das viele Männer dazu verführte, ihn für weibisch zu halten und daher zu unterschätzen. Gerade das durfte man bei diesem Kampfhahn nicht.
Gottfried Schenk zu Limpurg war froh, Falko ebenso wie dessen Schwäger Peter von Eichenloh und Otto von Henneberg unter seinen Gefolgsleuten zu wissen, denn der Appetit, den sein Nachbar Albrecht Achilles von Brandenburg-Ansbach auf neue Ländereien entwickelte, war schier unersättlich. Dazu strebte der Ansbacher mit aller Macht nach dem Titel eines Herzogs von Franken, der seit alters den Würzburger Fürstbischöfen vorbehalten war.
Mit diesem gefährlichen Nachbarn an seiner Flanke war es für den Fürstbischof unerlässlich, in seinem Herrschaftsbereich für Frieden und Ruhe zu sorgen. Mit beidem aber würde es schnell vorbei sein, wenn die beiden jungen Ritter ernsthaft aneinandergerieten und ihre Freunde und Verbündeten in den Streit hineinzogen.
Mit einem Mal entstand am Zelteingang ein solcher Lärm, dass Gottfried Schenk zu Limpurg aus seinem Grübeln gerissen und darauf aufmerksam wurde, dass es seinem Verwandten Reckendorf beliebte, samt Begleitung zu erscheinen.
Die langen Mienen der fünf jungen Männer verdüsterten sich noch mehr, als Falko und sein Freund Hilbrecht ihnen herausfordernde Blicke zuwarfen. Dem Fürstbischof war klar, dass die Jünglinge spätestens am nächsten Tag erneut aufeinander losgehen würden. Dann mochte es zu Schlimmerem kommen als zu ein paar Prellungen und verletztem Stolz. Ein Toter aber würde unweigerlich zu einer Fehde führen, die auch er nicht mehr unterbinden konnte.
Gottfried Schenk zu Limpurg überlegte verzweifelt, wie er diese Angelegenheit bereinigen konnte, ohne dass eine der beiden Gruppen ihm Parteinahme vorwerfen konnte. Dabei drängten weitaus schwerwiegendere Probleme: Sein Freund Foscarelli war ermordet worden, und er befürchtete, dass dahinter die Absicht stand, König Friedrichs Pläne zu sabotieren. Da der Tod des Kardinals ihn jener Person beraubt hatte, die ihn über die Lage in der Heiligen Stadt auf dem Laufenden hielt, benötigte er dringendst neue Augen und Ohren am Heiligen Stuhl.
Ein junger Priester, der unten an der Tafel saß, wie es sich für einen nachrangigen Kleriker gehörte, brachte den Fürstbischof auf eine Idee. Zuerst glitt sein Blick zu Eichenloh, doch als dieser sich mit schmerzverzerrter Miene an die Schulter griff, richtete er seine Aufmerksamkeit auf Falko. Es wäre nicht die schlechteste Lösung, den jungen Adler vorerst aus dem Würzburger Land zu entfernen. In der Zeit seiner Abwesenheit konnte er Reckendorf dazu bewegen, sich seinen Plänen zu beugen.
Zufrieden mit der Entscheidung, die er gerade getroffen hatte, nahm Gottfried Schenk zu Limpurg seinen Pokal von einem Pagen entgegen und trank seinen Gästen zu.
4.
I ch weiß nicht, was Reckendorf mehr schmerzt: sein Rücken, wo er sich gestern beim Sturz vom Pferd verletzt hat, oder sein Stolz«, raunte Hilbrecht von Hettenheim Falko zu.
Dieser ergriff grinsend seinen Becher und trank einen Schluck Wein. »Ich
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