Töchter des Feuers: Roman (German Edition)
lieber selber aus. Sie brauchte weder seine Verträge noch jemanden, der ihr vorschrieb, was wann an wen zu verkaufen war. Es war schließlich ihr Werk, oder nicht? Warum also kümmerte er sich nicht einfach weiter um seine Bücher, von denen er sicher ein Übermaß besaß, und überließ ihre Arbeit weiterhin ihr selbst?
Überhebliche kleine Ziege, schoß es ihm durch den Kopf, und abermals verspürte er einen ihm bisher unbekannten Groll. Da stand er und bot ihr eine helfende Hand, eine Hand, die in den Augen zahlloser anderer Künstler unbezahlbar war, und sie wies sie ab.
Er sollte sie sich tatsächlich selbst überlassen, dachte er. Sollte sie sich selbst überlassen, damit sie bis in alle Zeiten weiterhin in der Versenkung blieb. Eins war gewiß – weder er noch Worldwide brauchten sie.
Aber, verdammt, er wollte sie.
Aus einem ihm selbst unerklärlichen Impuls heraus griff er nach dem Telefon und wählte seine Sekretärin ab. »Eileen, sagen Sie meine Termine für die nächsten Tage ab. Ich muß dringend verreisen.«
Rogan hatte nur selten geschäftlich in einem der westlichen Counties zu tun, aber er erinnerte sich daran, daß er einmal als Kind in der Gegend gewesen war. Normalerweise hatten ihn die Reisen seiner Eltern nach Paris oder Mailand, hin und wieder in die familieneigene Villa an der französischen Riviera, nach New York, London, Bonn, Venedig oder Boston geführt,
aber einmal, als er neun oder zehn Jahre alt war, hatten sie sich mit ihm gemeinsam die wilde Pracht des Westens angesehen. An die schwindelerregende Aussicht von den Klippen von Moher, an die juwelengleich schimmernden Gewässer von Comemara, an die ruhigen Dörfer und das endlose Grün der Felder hatte er noch eine bruchstückhafte Erinnerung.
Es war schön. Doch zugleich war es alles andere als praktisch für einen Geschäftsbesuch, und er bedauerte bereits seinen spontanen Entschluß, vor allem, da ihn die im nahe gelegenen Dorf gewiesene Richtung auf etwas führte, das ihm wie ein lahmer Ersatz für eine ordentliche Straße erschien. Sein Aston Martin kam mit dem Meer aus Schlamm, in das der normalerweise wohl staubige Straßenbelag durch den endlosen Regen verwandelt worden war, gut zurecht, doch seine Stimmung glitt nicht so ebenmäßig wie sein Wagen über die zahllosen Schlaglöcher hinweg.
Einzig seine Sturheit hielt ihn von einer Umkehr ab. Bei Gott, die Frau würde noch zur Vernunft kommen. Dafür würde er schon sorgen. Wenn sie sich hinter Hecken aus Ginster und Weißdorn verstecken wollte, dann war das ihre Angelegenheit, ihre Kunst allerdings würde bald ihm gehören. Hoffentlich.
Er folgte der Richtungsangabe, die man ihm auf dem dörflichen Postamt erteilt hatte, und kam an der Blackthorn Cottage genannten Frühstückspension mit dem prächtigen Garten und den ordentlichen blauen Fensterläden vorbei. Es folgten ein paar windschiefe Steingebäude, Unterstände für Vieh, eine Scheune und ein schiefergedeckter Schuppen, vor dem ein Mann einen Traktor zu reparieren schien.
Als Rogan mit seinem Wagen um die Ecke bog, hob der Mann grüßend die Hand. Neben einigen Kühen war der Bauer das erste Lebewesen, das er seit Verlassen des Dorfes sah.
Wie irgend jemand an diesem gottverlassenen Ort leben konnte, war ihm schleierhaft. Zur Hölle mit dem landschaftlichen
Reiz. Er persönlich zog die überfüllten Straßen und Annehmlichkeiten Dublins dem unablässigen Regen und den endlosen Feldern vor.
Sie hatte sich wirklich gut versteckt, dachte er, denn beinahe hätte er das Gartentor und das gekalkte Cottage hinter den üppigen Liguster- und Fuchsienhecken übersehen.
Er drosselte das Tempo, obgleich er auch zuvor eher gekrochen als gefahren war, ehe er mit dem strahlend weißen Aston in die von einem halbverrosteten blauen Kleinlaster blockierte Einfahrt bog.
Er stieg aus dem Wagen, trat durch das Tor und ging den kurzen Weg zwischen den vom Regen schweren, leuchtenden Blüten hindurch. Er klopfte dreimal an die in einem verwegenen Magentarot gestrichene Tür, wartete kurz, klopfte erneut dreimal und stapfte dann ungeduldig los, um durch eins der Fenster ins Innere des Cottages zu sehen.
Ein kleines Feuer flackerte im Kamin, vor dem ein gemütlicher Sessel stand. In einer Ecke machte er ein altersschwaches, mit wilden rot-blau-purpurfarbenem Blumenmuster bezogenes Sofa aus. Beinahe hätte er angenommen, er hätte sich in der Adresse geirrt, doch die überall im Raum verstreuten gläsernen Kunstwerke verrieten
Weitere Kostenlose Bücher