Töchter des Feuers: Roman (German Edition)
weshalb er derart beleidigt war, doch dann machte er auf dem Absatz kehrt und ging ins Wohnzimmer, wo sein Mantel hing.
Maggie nutzte die Gelegenheit und trat in den kühlen Regen hinaus. Es war einfach lächerlich, schalt sie sich, daß ihr Blut wegen eines Handkusses derart in Wallung geriet. Rogan Sweeney war glatt, aalglatt. Nun, zum Glück lebte er Hunderte von Meilen von ihr entfernt. Und zum Glück war er nicht ihr Typ.
Ganz und gar nicht ihr Typ.
5. Kapitel
Das hohe Gras neben der Ruine der Abtei war ein lieblicher letzter Ruheplatz. Maggie hatte darum gekämpft, daß man ihren Vater hier statt auf dem ordentlichen, kalten Friedhof in der Nähe der Dorfkirche begrub, denn sie hatte für ihn den Frieden und die Atmosphäre von königlicher Erhabenheit gewollt. Brianna hatte sich ihrem Wunsch zunächst mit überraschender Vehemenz widersetzt, bis schließlich ihre Mutter mit beleidigt zusammengepreßten Lippen hinausgegangen war und sämtliche Vorkehrungen für die Beerdigung ihres toten Gatten den beiden Töchtern überließ.
Maggie besuchte das Grab ihres Vaters nur zweimal im Jahr, an seinem Geburtstag und an ihrem eigenen. Auf diese Weise dankte sie ihm, daß ihr durch ihn das Geschenk des Lebens zuteil geworden war. Sie kam nie an seinem Todestag, und auch heimliche Trauer verbot sie sich.
Ebenso wie sie ihn auch jetzt nicht betrauerte, als sie sich neben ihm im Gras niederließ und die Arme um die angezogenen Knie schlang. Die Sonne kämpfte sich durch die Wolken, bis sie den Gräbern einen goldenen Schimmer verlieh, und der Wind trug den süßen Duft von Wildblumen heran.
Sie hatte keine Blumen mitgebracht, wie sie es auch sonst niemals tat. Brianna hatte direkt über ihm ein Beet angelegt, so daß sein Grab, wenn der Frühling die Erde zu wärmen begann, in bunter Schönheit leuchtete.
Die Primeln reckten zaghaft ihre ersten Knospen in die Luft, und die zarten Köpfe der Akelei nickten sanft über den noch winzigen Schößlingen von roten Betonien und Rittersporn.
Sie beobachtete, wie eine Elster dicht über die Grabsteine hinwegflog, ehe sie in Richtung eines der nahe gelegenen Felder abschwenkte. Eine einsame Elster bringt Traurigkeit, dachte sie und suchte den Himmel vergebens nach einem zweiten, Glück bringenden Vogel ab.
Schmetterlinge flatterten mit durchscheinenden, lautlosen Flügeln an ihr vorbei. Näher am Meer hatte es keinen Ort gegeben, an dem ein Begräbnis möglich gewesen war, aber diese Stelle, überlegte sie, gefiel bestimmt ebenfalls.
Maggie lehnte sich bequem an den Grabstein ihres Vaters und machte die Augen zu.
Ich wünschte, du wärst noch hier, dachte sie, dann könnte ich dir erzählen, welches sagenhafte Angebot mir unterbreitet worden ist. Nicht, daß ich auf deinen Ratschlag hören würde, o nein. Aber ihn zu hören täte mir trotzdem gut.
Wenn Rogan Sweeney hält, was er versprochen hat – und ich glaube, er ist ein solcher Ehrenmann – dann bin ich bald eine reiche Frau. Wie sehr gefiele dir das. Wir hätten genug Geld für deinen eigenen Pub, der immer dein Traum gewesen ist. Oh, was für ein schlechter Bauer du doch warst, lieber Dad. Aber der beste Vater, den man sich denken kann. Der beste Vater der Welt.
Sie tat ihr möglichstes, um das Versprechen, das sie ihm gegeben hatte, zu erfüllen, dachte sie. Sie kümmerte sich um ihre Mutter und ihre Schwester und folgte ihrem eigenen Traum.
»Maggie.«
Sie öffnete die Augen und blickte zu Brianna auf. Ordentlich wie immer, dachte sie, während sie sie musterte. Ihre jüngere Schwester hatte ihr wunderbares Haar zu einem properen Knoten hochgeschlagen und steckte in einem perfekt gebügelten Kleid. »Du siehst aus wie eine Lehrerin«, sagte Maggie und lachte, als sie Briannas entgeisterte Miene sah. »Wie eine wunderbare Lehrerin.«
»Und du siehst aus wie eine Lumpensammlerin«, erwiderte
Brianna und runzelte angesichts von Maggies zerrissener Jeans und dem fleckigen Pullover die Stirn. »Wie eine wunderbare Lumpensammlerin.«
Brianna kniete sich neben ihre Schwester und faltete die Hände, nicht zum Gebet, sondern weil es ordentlich war.
Schweigend saßen sie einen Augenblick nebeneinander, während der Wind durch die Gräser und über die schiefen Grabsteine blies.
»Ein wunderbarer Tag zum Grabsitzen«, stellte Maggie fest. Heute wäre er einundsiebzig geworden, dachte sie. »Seine Blumen sehen prächtig aus.«
»Ich müßte mal wieder Unkraut zupfen«, sagte Brianna und machte sich ans Werk.
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