Töchter des Feuers: Roman (German Edition)
entschieden, als sie heiratete und Galway verließ. Ich muß sagen, ich habe sie schmerzlich vermißt, aber wenigstens hat sie ihren Johnny und ihr Hotel geliebt.«
Unter großen Mühen verdrängte Maggie den Gedanken an die Frau, die ihre Mutter offenbar einmal gewesen war. Sie
würde sich später die Zeit nehmen und ausführlich darüber nachdenken. »Ich erinnere mich noch an Grans Hotel. Als junge Mädchen haben Brie und ich während der Sommerferien dort gejobbt. Die Zimmer aufgeräumt, Besorgungen gemacht. Allerdings lag mir diese Art der Beschäftigung nicht sonderlich.«
»Da hat die Kunstwelt großes Glück gehabt.«
Maggie beantwortete Rogans Kompliment mit einem Blick. »Vielleicht, aber vor allem habe ich selbst Glück gehabt.«
»Ich habe Sie noch nie gefragt, wodurch Ihr Interesse an Glas geweckt worden ist.«
»Die Mutter meines Vaters hatte eine Vase aus venezianischem Glas – trichterförmig, in einem blassen, rauchigen Grün. Die Farbe jungen Blattwerks, das noch in den Knospen steckt. Etwas Schöneres hatte ich nie zuvor gesehen. Sie sagte, die Vase wäre aus Atem und Feuer gemacht.« Maggie lächelte gedankenverloren, und ihre Augen wiesen denselben rauchigen Ton wie die von ihr beschriebene Vase auf. »Es kam mir wie ein Märchen vor, daß man mit Atem und Feuer etwas schaffen können sollte, das tatsächlich greifbar war. Also hat sie mir ein Buch mit Bildern einer Glasbläserei, Bildern von den Arbeitern, den Glasmacherpfeifen, den Öfen gezeigt. Ich glaube, von dem Moment an wollte ich nichts anderes mehr, als selbst Glas zu machen, so, wie es in dem Buch dargestellt war.«
»Rogan war genauso«, murmelte Christine. »Schon in ganz jungen Jahren hatte er sein Leben verplant.« Sie blickte zwischen Maggie und ihrem Enkel hin und her. »Und nun habt ihr beide einander gefunden«, sagte sie.
»So sieht’s aus«, stimmte ihr Rogan zu und läutete nach dem nächsten Gang.
8. Kapitel
Immer wieder zog es Maggie in die Galerie, und sie wußte keinen Grund, weshalb sie sie nicht aufsuchen sollte, sooft es ihr gefiel. Joseph und die anderen Angestellten waren immer sehr freundlich zu ihr, ja sie gingen sogar so weit, sie zu fragen, was sie von der Präsentation der einzelnen Werke hielt.
Allerdings fiel ihr, so sehr sie es auch bedauerte, nicht der kleinste Verbesserungsvorschlag ein, denn Rogans Blick fürs Detail und für die Plazierung jeder einzelnen Arbeit schien geradezu perfekt zu sein. Also überließ sie es den Angestellten der Galerie, seine Anweisungen auszuführen, und zog sich diskret mit ihrem Skizzenblock in die Ausstellung der indianischen Artefakte zurück.
Die Körbe, der Haarschmuck, die akribischen Perlenstickereien und die ausgeklügelten Muster auf den rituellen Masken faszinierten sie. Zahllose Ideen und Visionen sprangen gazellengleich in ihrem Kopf herum, und sie beeilte sich, damit sie sie, ehe sie wieder entschwanden, zu Papier bekam.
Sie war froh, daß sie ihre Arbeit hatte, denn immer, wenn sie zur Besinnung kam, kehrten ihre Gedanken zu dem zurück, was ihr von Christine über Maeve erzählt worden war. Wie viele Dinge, überlegte sie, lagen wohl unter der Oberfläche des Lebens ihrer Eltern verborgen, ohne daß es ihr je bewußt geworden war? Wie die Karriere ihrer Mutter und die Liebe ihres Vaters zu einer anderen Frau? Und sie beide – ihretwegen – in einer Ehe gefangen, aufgrund derer ihnen die Erfüllung ihrer größten Wünsche vorenthalten blieb.
Sie mußte mehr herausfinden, und zugleich fürchtete sie,
daß, was auch immer sie erführe, die Erkenntnis vertiefen könnte, daß sie keine Ahnung hatte von dem Paar, von dem sie geschaffen worden, keine Ahnung von den Menschen, deren Tochter sie war.
Also verdrängte sie das Bedürfnis, mehr zu erfahren, und konzentrierte sich ganz auf die Galerie.
Wann immer es möglich war, benutzte sie Rogans Büro als Atelier. Das Licht war gut, und da der Raum im hinteren Teil des Gebäudes lag, wurde sie dort höchst selten gestört. Das Büro war winzig, denn offenbar vertrat Rogan die Ansicht, daß die Hauptbestimmung der Galerie nicht das Geschäft, sondern die Ausstellung diverser Kunstgegenstände war.
Eine Entscheidung, die ihre Zustimmung fand.
Sie bedeckte seinen schimmernden Walnußschreibtisch mit einer Plastikfolie und dicken Lagen Zeitungspapier. Die Kohle- und Bleistiftskizzen waren nur der Anfang gewesen, nun fügte sie bunte Farbtupfer hinzu. In einem Laden nahe der Galerie hatte sie ein
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