Töchter des Feuers: Roman (German Edition)
von einer ebensolchen Ursprünglichkeit wie das Feuer, in das er sah.
Und er war rettungslos in sie verliebt.
10. Kapitel
»Was meinen Sie, weg?« Rogan schob seinen Schreibtischsessel zurück und bedachte Joseph mit einem zornigen Blick. »Sie wird ja wohl kaum einfach so verschwunden sein.«
»O doch. Vor einer Stunde kam sie in der Galerie vorbei, um sich zu verabschieden.« Während er sprach, zog Joseph einen Umschlag aus der Jackentasche hervor. »Sie hat mich gebeten, Ihnen das hier zu geben.«
Rogan nahm den Umschlag und warf ihn auf den Tisch, ohne ihn auch nur anzusehen. »Wollen Sie damit etwa sagen, daß sie nach Clare zurückgeflogen ist? Am Morgen nach ihrer ersten eigenen Vernissage?«
»Ja, und zwar hatte ich das Gefühl, daß sie ziemlich in Eile war. Ich hatte noch nicht einmal mehr Zeit, ihr all die positiven Kritiken zu zeigen, mit denen ihre Ausstellung aufgenommen worden ist.« Verlegen fingerte Joseph an seinem winzigen goldenen Ohrring herum. »Sie hat einen Flug nach Shannon gebucht. Meinte, sie hätte nur ganz kurz Zeit, aber sie hätte sich noch verabschieden wollen, hat mir den Umschlag in die Hand gedrückt, mich auf die Wange geküßt, und schon war sie wieder weg.« Er lächelte. »Es war fast so, als wäre ein kleiner Wirbelsturm durch mein Büro gefegt.« Er zuckte mit den Schultern und sah Rogan an. »Es tut mir leid. Wenn ich gewußt hätte, daß Sie noch bleiben soll, hätte ich versucht, sie aufzuhalten. Ich schätze, es hätte nicht viel genützt, aber zumindest hätte ich es versucht.«
»Ach, egal.« Rogan sank auf seinen Stuhl zurück. »Welchen Eindruck hat sie auf Sie gemacht?«
»Ungeduldig, gehetzt, zerstreut. Eigentlich wie immer. Sie hat nur gesagt, daß sie nach Hause wollte, zu ihrer Arbeit zurück. Ich war mir nicht sicher, daß sie Ihnen ebenfalls Bescheid gegeben hat, deshalb dachte ich, am besten käme ich vorbei. Ich habe eine Verabredung mit General Fitzsimmons, und Ihr Büro lag gerade auf dem Weg.«
»Vielen Dank. Ich denke, ich bin so gegen vier in der Galerie. Grüßen Sie den General von mir.«
»Mache ich«, sagte Joseph und setzte ein breites Grinsen auf. »Übrigens, sein Angebot für Unterwerfung hat er noch mal um fünftausend erhöht.«
»Trotzdem verkaufe ich nicht.«
Nachdem Joseph gegangen war, nahm Rogan den Umschlag, der vor ihm auf dem Schreibtisch lag, und schlitzte ihn eilig mit seinem elfenbeinernen Brieföffner auf. In ihrer schnellen und trotzdem wunderschönen Schrift hatte Maggie ein paar Worte auf das cremefarbene Briefpapier aus seinem eigenen Gästezimmer geworfen, die er mit zusammengekniffenen Augen überflog.
Lieber Rogan,
ich nehme an, Sie sind verärgert, weil ich so plötzlich abge-
flogen bin, aber ich kann es nicht ändern. Ich muß nach
Hause, denn meine Arbeit wartet auf mich, und ich sehe
keinen Grund, mich dafür zu entschuldigen. Statt dessen
möchte ich Sie wissen lassen, daß ich Ihnen wirklich dank-
bar bin. Ich bin sicher, daß es nicht lange dauern wird, bis
Sie mich wieder mit Faxen bombardieren, aber ich warne
Sie – ich werde sie ignorieren, zumindest in der nächsten
Zeit. Bitte grüßen Sie Ihre Großmutter von mir. Ach ja, ich
hätte nichts dagegen, wenn Sie hin und wieder an mich den-
ken würden.
Maggie
Eine Sache noch. Vielleicht interessiert es Sie zu erfahren, daß ich ein halbes Dutzend von Juliens Rezepten mit nach Hause nehme – Julien ist Ihr Koch, falls Ihnen der Name nichts sagt. Er hält mich für charmant.
Rogan überflog den Brief ein zweites Mal, doch dann legte er ihn entschlossen fort. Wahrscheinlich war es das beste, daß sie abgefahren war, dachte er. Sie würden beide glücklicher und produktiver sein, wenn ganz Irland zwischen ihnen lag. Auf jeden Fall täte ihm der Abstand gut, denn in der Nähe einer Frau zu arbeiten, die man liebte, obgleich sie einen auf jede nur erdenkbare Art verärgerte, war ein Ding der Unmöglichkeit.
Und mit ein bißchen Glück nähmen die Gefühle, die er für sie hegte, mit der Zeit und der Entfernung wieder ab.
Er war froh, daß sie zurückgeflogen war, zufrieden, weil der erste Teil seiner Pläne bezüglich ihrer Karriere verwirklicht worden war, glücklich, daß sie ihm, wenn auch unabsichtlich, Zeit gegeben hatte, sich darüber klarzuwerden, was er tatsächlich für sie empfand.
Ach zum Teufel, dachte er. Kaum daß sie abgefahren war, vermißte er sie bereits.
Der Himmel erstreckte sich in der Farbe eines Rotkehlcheneis und mit
Weitere Kostenlose Bücher