Töchter des Mondes, Band 01: Cate (German Edition)
auf mich herab. »Du hast Glück. Er liebt dich. Aber die Krähen – oh, für die Krähen hat die Liebe keine Bedeutung. Nein. Sie wollen immer nur die Pflicht, nicht wahr?«
»Das ergibt doch keinen Sinn«, brummt Sachi.
Brenna fasst mit beiden Händen nach meinem Mantel. Ihre Stimme ist eindringlich. »Du kannst es aufhalten. Aber nicht ohne Opfer.«
Ich stolpere zurück und falle der Länge nach über eines der kleinen Gräber.
Brenna läuft davon, während Sachi mir wieder auf die Beine hilft. »Es gibt nicht viel, wovor ich mich fürchte, aber sie gehört eindeutig dazu. Ich wünschte, Rory würde sich von ihr fernhalten.«
Ich beuge mich hinunter und hebe die weggeworfene Flasche auf. Ich glaube nicht daran, dass Mutters Geist hier weilt, doch Unrat herumliegen zu lassen ist einfach respektlos den Toten gegenüber.
»Müssen wir uns Sorgen wegen Rory machen?«, frage ich beunruhigt. Mit dem Alkohol und Nils und der Magie geht sie viel zu viele Gefahren auf einmal ein.
»Jetzt gerade am Teich oder allgemein?«, seufzt Sachi. »Sie wird niemals irgendetwas tun, um eine von uns zu verletzen, wenn es das ist, was du meinst. Nur sich selbst.«
»Warum?« Ich setze mich neben Sachi. Der Marmor fühlt sich kühl an unter meinen Oberschenkeln.
»Sie hasst die Magie. Ich kann sagen, was ich will. Sie ist einfach so verdammt unvorsichtig«, flucht Sachi. »Es kommt mir beinahe so vor, als würde sie unbedingt verhaftet werden wollen. Vater sieht nicht so genau hin, wenn es um sie geht, aber für wie lange noch? Auch sein Nepotismus ist irgendwann mal erschöpft.«
Wieder einmal wünschte ich, ich wäre mehr wie Tess. Ich weiß nicht, was ich tun oder sagen soll. Ich hätte niemals gedacht, dass ich einmal mitten in der Nacht mit Sachi Ishida auf einem Friedhof sitzen und ihr zuhören würde, wie sie mir ihr Herz ausschüttet. Ich kenne diese Mischung aus Zuneigung und Sorge sehr gut. Ich empfinde das Gleiche, wenn ich –
Und da fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Nepotismus . Fremdwörter waren noch nie meine Stärke, aber wenn das Wort bedeutet, was ich denke, Vetternwirtschaft –
»Oh. Sie ist deine Schwester? Dein Vater – «
Sachi kauert sich zusammen und ist nur noch eine kleine, dunkle Gestalt, die sich gegen den weißen Grabstein abzeichnet. »Du darfst es niemandem sagen.«
Ich muss an Mrs Clay denken, die Frau aus dem Prozessregister, die Bruder Ishida des Ehebruchs bezichtigt hat. »Natürlich nicht.«
Sachi fasst nach meinem Knie und drückt es. »Niemand darf es wissen. Niemand. Rory weiß es selbst nicht.«
Ich sehe sie feierlich an. »Ich erzähle es niemandem. Ich schwöre es.«
»Ich habe es noch nie jemandem erzählt. Ich wollte – ich hätte es ihr beinahe einmal erzählt. Als sie Brenna geholt hatten. Die Vorstellung, dass sie nach Harwood geschickt werden könnte – ich würde es nicht ertragen.«
Das kann ich sehr gut verstehen. »Warum hast du dich entschieden, es ihr nicht zu sagen?«
»Ich hatte Angst, dass sie etwas Unüberlegtes tun würde. Sie trinkt zu viel. Normalerweise wird sie nur schläfrig davon, weißt du, und ein bisschen albern. Aber ich hatte Angst, dass sie Vater damit konfrontieren könnte.«
»Wie lange weißt du es denn schon?« Ich fahre mit den Fingern die Buchstaben auf Mutters Grabstein nach: Geliebte Frau und hingebungsvolle Mutter .
»Seit wir zehn waren.« Sachi legt eine Hand über ihre Augen. Sechs Jahre. Himmel, wie anstrengend das sein muss, so ein Geheimnis so lange für sich zu behalten. »Ihre Mutter kam zu uns und bestand darauf, Vater zu sehen. Sie war betrunken, aber nicht so betrunken, dass sie nicht mehr bei Vernunft gewesen wäre. Sie wollte Geld, und sie hat sehr deutlich klargemacht, warum er es ihr geben sollte.«
»Warum hat er sie nicht verhaftet?«
Sachi kneift die Augen zusammen und sieht zu Rory und Brenna hinüber, die am Ufer des Teiches auf einer Bank kauern. »Wegen Rory, nehme ich an. Vater ist feige und scheinheilig, aber er würde nicht wollen, dass sein Bastard in einem Waisenheim aufwächst. Außerdem gab es auch vorher schon einen Skandal. Mit einer anderen Frau. Er hat ihr den Prozess gemacht und sie weggeschickt. Ich glaube nicht, dass er sich das noch einmal leisten könnte. Es würde seinem Ansehen in der Gemeinde schaden«, spottet sie.
Ich greife nach Sachis Hand und drücke sie durch ihren Handschuh.
»Ich wollte immer eine Schwester haben«, sagt sie. »Aber ich hätte nicht gedacht, dass sie so
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