Töchter des Mondes, Band 01: Cate (German Edition)
nichts erzählt.« Sachis Stimme klingt angespannt.
»Ich auch nicht! Sie weiß manche Dinge einfach«, erklärt Rory und zerrt Brenna zu uns zurück. »Darum haben sie sie auch weggesperrt.«
»Sie ist verrückt«, sagt Sachi und verschränkt die Arme vor der Brust. »Sie haben sie weggesperrt, weil sie deinem Stiefvater erzählt hat, dass er sterben würde.«
»Aber ich weiß Dinge«, sagt Brenna schwermütig. »Wenn ich mich nur an sie erinnern könnte.«
»Woran können Sie sich denn nicht erinnern?«, frage ich. Es ist eine dumme Frage – woher soll sie das wissen? – , aber Brenna nimmt sie ernst.
»Löcher in meinem Kopf«, erklärt sie und tippt sich an die Stirn. »Die Krähen haben sie dorthin getan.«
»Krähen?«, frage ich, und Sachi zuckt mit den Schultern.
Brenna schaudert und lässt sich gegen den marmornen Grabstein fallen. Sie kneift die Augen zu wie ein Kind, das versucht, einen Albtraum auszulöschen, und schlingt die Arme um sich. »Sie sind zu meinem Prozess gekommen«, flüstert sie. »Die Brüder haben mich mit ihnen allein gelassen. Ich hatte solche Angst. Ich dachte, sie würden mir die Augen ausstechen, aber sie haben mir bloß meine Erinnerung genommen.«
»Als sie von Harwood wieder nach Hause gekommen ist, hat sie uns zuerst gar nicht wiedererkannt. Sie hat nur mit Jake gesprochen«,erklärt Rory. Jacob ist Brennas Bruder, ein großer, sanftmütiger Junge.
»D-darfst keine Fragen stellen«, stottert Brenna. »Du wirst bestraft werden!«
Mir läuft es kalt den Rücken hinunter, aber diesmal hat es nichts mit der Kälte zu tun, sondern vielmehr mit Brennas unheimlichem Gerede.
»Es reicht. Stell sie ruhig«, befiehlt Sachi. »Wir sind nicht den ganzen Weg hergekommen, um uns diesen Unsinn anzuhören. Cate wollte uns etwas erzählen.«
»Still«, sagt Rory und legt einen Arm um Brenna. Brenna ist um einige Zentimeter größer, aber sie krümmt sich wie ein Schilfhalm, als wäre alle Energie aus ihr gewichen. »Setz dich hin.«
Sie setzen sich alle drei auf den kalten Marmor, der Mutters Grab umgibt. Brenna starrt in die Dunkelheit. Sachi zieht die Knie an und vergräbt das Gesicht in ihrem Mantel. Nur Rory scheint die Kälte nichts auszumachen, sie wippt quietschvergnügt auf und ab wie ein Kind.
Jetzt, da der Moment da ist, ist es mir peinlich.
Was in der Geheimkammer passiert ist – und dann noch einmal im Pavillon –, ist etwas sehr Persönliches. Was soll ich sagen? Dass jetzt, seit mir klar geworden ist, wie mutig und loyal und wundervoll Finn ist, ich mir nicht länger etwas vormachen kann? Dass seine Küsse mich leichtsinnig werden lassen? Dass ich den Gedanken nicht ertragen kann, ihn aufzugeben, auch wenn Paul zu heiraten mein Ansehen schützen würde? Ich muss wissen, wie ich die Magie unter Kontrolle halten kann, auch wenn ich meine Gefühle nicht ganz unter Kontrolle habe.
Eigentlich wollte ich das bloß Sachi fragen und nicht gleich drei Zuhörerinnen. Aber ich brauche Antworten.
Ich knie mich ins kalte Gras, der Tau durchnässt meinen Mantel. »Ich habe jetzt schon zweimal gezaubert, ohne es zu wollen. Am Montag war es sehr stark – viel stärker als normalerweise. Ich konnte den Zauber nicht allein rückgängig machen.«
»Was hast du denn direkt davor gemacht?«, fragt Sachi. Ein langer schwarzer Zopf fällt ihr über die Schulter. »Als die Magie sich bei mir zuerst bemerkbar gemacht hat, hatte ich sehr starke Emotionen, die meine Magie ziemlich unkontrollierbar machten. Ein paarmal war ich kurz davor, von meinem Vater entdeckt zu werden.«
»Ähm. Ja. Ich – also, ich war –« Wie gesteht eine Dame, dass sie sinnliche Lüste empfindet?
Brenna lacht leise vor sich hin, und ich würde mich vor Scham am liebsten hinter dem Grabstein verstecken.
»Hör auf«, Sachi haut ihr auf die Schulter.
»Fass mich nicht an!«, keift Brenna und springt auf. Sie klettert auf den Grabstein hinter uns und hockt sich darauf wie ein gespenstischer Wasserspeier.
»Oh, guter Gott«, sagt Sachi. »Brenna, komm sofort da runter. Das ist respektlos.«
»Ich kann jetzt sehr gut hören«, ruft Brenna. »Erzähl weiter! Erzähl uns mehr von den Küssen!«
»Woher – ?« Erstaunt sehe ich Rory an.
»Ich hab doch gesagt, dass sie manche Dinge einfach weiß. Außerdem hattest du schon verraten, dass es etwas mit einem Mann zu tun hat.« Rory lächelt mich mit ihrem Hasenlächeln an. »Er sieht aus, als könnte er ziemlich gut küssen.«
»Meinst du?« Natürlich finde
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