Töchter des Mondes, Band 01: Cate (German Edition)
verschwommen.« Bruder Ishida lässt seinen Blick über die versammelten Mädchen schweifen. »Aber wenn die Hexe stark genug ist, wird es keinerlei Anzeichen geben. Ihr werdet vielleicht niemals wissen, dass sie in eure Gedanken eingedrungen ist und eine Erinnerung zerstört hat. Hexen sind sehr klug und sehr böse. Darum müssen wir sie verfolgen und in Schach halten, Elinor, damit sie gute Mädchen wie dich nicht verderben.«
»Danke, Sir«, sagt Elinor und reckt ihr Doppelkinn voller Stolz.
»Gern geschehen. Nun, die Zeit ist fast um. Lasst uns ein paar der Grundsätze im Leben einer Frau wiederholen, ja? Miss Dolamore! Was ist das höchste Ziel einer Frau?«
Gabrielle Dolamore zuckt auf ihrem Platz zusammen. Ihre Schwester Marguerite ist diejenige, die letzten Monat abgeholt wurde, und seitdem wird die arme Gabby eingehend von den Brüdern geprüft. Sie ist für ihre vierzehn Jahre noch sehr klein, mit Armen und Beinen wie ein Vögelchen. »Kinder gebären und ihrem Ehemann eine Freude sein?«, flüstert sie.
Bruder Ishida schreitet bis ans Ende der Kanzel. In der schwarzen Robe der Bruderschaft macht er eine beeindruckende Figur. »Lauter, Miss Dolamore. Ich kann Sie nicht hören.«
Gabrielle sagt es noch einmal, diesmal lauter.
»Das ist richtig. Miss Maura Cahill! Wem schulden Sie Gehorsam?«
Maura schreckt neben mir auf. »Der Bruderschaft. Meinem Vater. Und eines Tages meinem Ehemann«, antwortet sie mit klarer Stimme.
»Das ist richtig. Und was ist euer aller Bestreben, Mädchen? Alle zusammen!«
»Reinen Herzens, demütig und tugendhaft zu sein«, rufen wir im Chor.
»Ja. Gut gemacht, Mädchen. Damit beschließen wir die Stunde. Wir befreien unseren Geist und öffnen unsere Herzen für den Herrn.«
»Wir befreien unseren Geist und öffnen unsere Herzen für den Herrn«, ertönt unser Echo.
»Und nun gehet in Frieden und dienet dem Herrn«, sagt Bruder Ishida.
Wir neigen die Köpfe. »Dank sei dem Herrn.«
Ich bin in der Tat dankbar, dass es vorbei ist. Ich stehe auf und strecke mich, während wir auf die Kinder und Erwachsenen warten, die zum richtigen Gottesdienst zu uns stoßen. Einige der Mädchen gehen im Gang auf und ab; andere hocken kichernd zusammen. Ich stoße Maura mit dem Ellbogen an, weil sie Bruder Ishidas Rücken anstarrt, als wäre er ein Kalb mit zwei Köpfen.
»Perversionen dessen, wie Frauen sein sollten«, äfft Maura ihn nach. »Weil sie andere Frauen geliebt haben? Oder weil sie sich geweigert haben, sich der Autorität eines Mannes zu unterwerfen?«
Da hat sie nicht ganz unrecht. Die Bruderschaft sagt, dass es eine sehr große Sünde ist, wenn Frauen Liebesbeziehungen untereinander haben. Aber an anderen, freieren Orten, wie Dubai, leben Frauen ganz offen mit anderen Frauen zusammen – und Männer mit Männern. Es ist nicht die Regel, aber es ist auch nicht gesetzeswidrig.
»Ich kann ihn nicht ausstehen«, faucht Maura, und ihr hübsches Gesicht ist wutverzerrt.
»Maura«, sage ich warnend und lege eine Hand auf den Ärmel ihres gelben Kleides.
Ich sehe mich um, ob jemand in Hörweite ist. Zum Glück sitzt in der Bank hinter uns niemand mehr.
Dafür geht gerade Sachiko Ishida an unserer Reihe vorbei, Arm in Arm mit Rose Collier. »Du solltest die neuen Hüte aus Mexiko City sehen, sie sind so schön! Mit lauter Federn und Blumen«, sagt Sachi laut. »Aber Vater sagt, sie sind viel zu bunt. Und wer sie trägt, ist nur darauf aus, Aufmerksamkeit zu erregen. So wie die, die sich das Gesicht mit Rouge anmalen. So etwas tun doch nur unsittliche Damen.«
»Ich habe gehört, in Dubai tragen die Mädchen Blusen einfach so zu ihren Röcken«, fügt Rose aufgebracht hinzu. »Und manchmal sogar Hosen, wie die Männer!«
Sachi ringt nach Luft. »Wie unanständig! So weit würde ich niemals gehen. Vater sagt, es ist bloß meine weibliche Schwäche, wegen der ich mich nach hübschen Dingen sehne.« Sie bemerkt, dass ich sie beobachte, und zwinkert mir mit ihren dunklen Augen zu. »Ich sollte mehr beten, um mich von den Sünden zu befreien.«
Macht sie Witze? Ich habe noch nie bemerkt, dass Sachi auch nur das kleinste bisschen Humor hat. Sie ist der Liebling ihres Vaters, ein Musterbeispiel an gutem Benehmen und außerdem das beliebteste Mädchen der Stadt. Vor ein paar Wochen war ihr sechzehnter Geburtstag, und sie hat eine große Gartenparty mit Krocket und Schokoladentorte veranstaltet. Wir waren natürlich nicht eingeladen.
Ich unterdrücke ein Seufzen. Was würde ich
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