Töchter des Mondes, Band 01: Cate (German Edition)
sie unter dem rosafarbenen Baldachin wieder hervorgekommen ist. »Aber wir müssen das Haus ein bisschen herausputzen, nicht wahr?«, bohrt sie, in der Hoffnung auf eine Verbündete. »Wenn wir Besucher empfangen sollen, meine ich. Cate muss ja schon bald einen Mann finden.«
»Maura!«, zische ich beschämt. Kann sie keine fünf Minuten damit warten, das Thema aufzubringen?
Elena lächelt, und eine Reihe gerader, weißer Zähne zeichnet sich gegen ihre dunkle Haut ab. »Wann ist Ihr Geburtstag, Cate?«
»Am vierzehnten März«, grummele ich. Es überrascht mich, dass Mrs Corbett das nicht auch schon ausgeplaudert hat, wo die alte Schrulle ihr sonst anscheinend schon alles erzählt hat.
»Sie hat einen Verehrer«, vertraut Maura Elena an. Ich würde sie am liebsten erdrosseln.
»Dann steht Ihre Absichtsbekundung ja schon bald an«, sagt Elena. »Machen Sie sich keine Gedanken, Cate. Überlassen Sie das ruhig mir.«
Ich schaue auf den altrosa Teppich und spüre erneut Unmut in mir aufsteigen. Ich überlasse es äußerst ungern anderen, sich Gedanken um mich zu machen. Und wie kann ich meine Zukunft einer wildfremden Person überlassen?
Maura denkt, es wäre alles ziemlich klar: Ich werde Paul heiraten. Aber er hat nicht gesagt, ob er jetzt in Chatham bleiben wird oder nur zu Besuch hier ist. Und so wie er von New London gesprochen hat, voller Leidenschaft – ich bin mir sicher, dass es ihm dort gefällt. Was, wenn er mir einen Antrag macht, aber von hier wegziehen will?
Wie hat Mutter sich gedacht, dass ich mein Versprechen einhalten soll, wenn ich erwachsen werde? Sie wusste, dass ich nicht für immer zu Hause bleiben kann.
Ich muss ihr Tagebuch finden. Und zwar bald.
* * *
Eine Stunde später knie ich auf dem harten Holzfußboden in Mutters Wohnzimmer. Der Inhalt ihres Schreibtisches ist um mich herum auf dem Boden verstreut. Schreibfedern und Siegelwachs und Pergament liegen durcheinander. Dazwischen ein Stapel Briefe, der mit einem blauen Samtband ordentlich zusammengebunden ist. Ich habe sie alle gelesen – bereits zweimal. Darin sind keine Hinweise auf irgendeine Zusannah oder Zinnia oder so zu finden. Wer ist bloß diese mysteriöse Z.R.?
Ich weiß, dass Mutter in ihrem letzten Jahr ein Tagebuch geführt hat; ich habe sie jedes Mal, wenn ich in ihr Zimmer kam, beim Schreiben unterbrochen. Aber ich habe es nie finden können. Allerdings war ich auch nie so entschlossen, es zu finden, wie jetzt. Ich brauche ihren Rat. Nicht nur, was die Magie anbelangt, sondern vor allem hinsichtlich meiner Zukunft. Was hat sie für mich vorgesehen?
Ich taste die Schubladen nach einer Sprungfeder oder einem Riegel ab, die auf einen falschen Boden hinweisen könnten. Aber da ist nichts. Frustriert werfe ich die Sachen zurück in die Schubladen, mache sie wieder zu und wiege mich in der Hocke. Elenas ständige Anwesenheit bedrückt mich jetzt schon wie zu enge Schuhe. Seit Jahren habe ich nicht über mich selbst nachgedacht, sondern mich nur auf Tess und Maura und mein Versprechen Mutter gegenüber konzentriert. Aber ich kann die Realität nicht länger ausblenden. Vater hat Elena nicht angestellt, um uns Französisch und die Kunst des Blumenbindens beizubringen; er hat sie angestellt, um sicherzustellen, dass Maura und ich einen Mann finden.
Mutter hat damals gesagt, dass die Bruderschaft aus Angst, dass die Hexen eines Tages wieder an Macht gewinnen könnten, die Vorstellung von mächtigen Frauen nicht mag. Daher ist es uns Frauen nicht erlaubt, zu studieren und zur Universität zu gehen oder Berufe zu erlernen. Es gibt allerdings ein paar bemerkenswerte Ausnahmen in der Stadt: die Hebamme, Mrs Carruthers; die Schneiderin, Ella Kosmoski; und Marianne Belastra – allerdings hat Mrs Belastra die Führung des Buchladens erst nach dem Tod ihres Mannes übernommen. Normalerweise ist es Frauen nicht gestattet, Geschäfte zu führen.
Die Schwesternschaft ist die einzige Alternative zur Ehe, und zwar eine ehrenhafte. Die Schwestern sind der karitative Zweig der Bruderschaft: Sie arbeiten als Gouvernanten und Kindermädchen, besuchen die Kranken und auf dem Sterbebett Liegenden und versorgen die Armen mit Essen. Doch seit Jahren ist kaum jemand in Chatham der Schwesternschaft beigetreten. Der Gedanke, mein Leben damit zu verbringen, die Bibel zu studieren und Waisenmädchen zu unterrichten, ist lächerlich. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich meine Schülerinnen umbringen würde. Außerdem würde ich ersticken, wenn
Weitere Kostenlose Bücher