Töchter des Mondes, Band 01: Cate (German Edition)
ja nichts, dass er mich vier Jahre lang hat warten lassen.
Ich ziehe eines meiner schönsten Kleider an, ein dunkelgraues mit einer blassblauen Schärpe und blauer Spitze am Kragen. Nachdem ich meine Haare so gut es geht gerichtet habe, gehe ich ins Wohnzimmer hinunter.
Elena ist verschwunden – vermutlich bespricht sie mit Vater unseren Lehrplan. Maura und Tess hocken schnatternd wie die Elstern auf dem Sofa und stellen Paul eine Frage nach der anderen über New London. Wie er da so mit weit von sich gestreckten Beinen auf dem Sessel sitzt, nimmt er mehr Platz ein, als ich es in Erinnerung hatte. Er macht einen sehr – männlichen Eindruck mit seinem Bart, den hohen, schwarzen Reitstiefeln und dem tiefen Timbre seiner Stimme. Der blaue Brokatsessel, in dem er sitzt, sieht auf einmal ganz klein aus. Ich bin anscheinend sehr daran gewöhnt, nur von Frauen umgeben zu sein, da Vater so viel weg ist. Nicht, dass wir besonders stille Frauen wären.
Als Paul mich sieht, kommt er auf mich zu und nimmt meine Hände in seine. »Cate«, sagt er mit anerkennendem Blick.
Er hat mich schon von Kopf bis Fuß mit Dreck aus dem Schweinestall eingesaut gesehen. Er hat mich gesehen, als mein Gesicht und meine Hände vollkommen mit Erdbeeren verschmiert waren. Wir sind zusammen den Hügel hinter dem Teich hinuntergekullert, bis unsere Kleider ganz grün waren vom Gras. Aber er hat mich noch nie so angesehen wie jetzt. Ich spüre auf einmal jeden Zentimeter meines Körpers.
»Das Kleid hat genau die Farbe Ihrer Augen. Sie sehen schön aus.« Er sagt es leichthin, selbstbewusst. Als wenn er es gewohnt wäre, Mädchen zu sagen, dass sie schön aussehen.
Ich spüre, wie ich rot werde, und entziehe ihm meine Hände. Ich bin es nicht gewöhnt, so etwas zu hören, und ich kann diesen ernsthaften, bewundernden Mann nicht mit dem schelmischen Jungen, den ich früher gekannt habe, in Einklang bringen. »Danke.«
»Tess hat erzählt, Ihr Vater baut einen Pavillon unten am Teich. Ich würde ihn mir gern ansehen.«
»Da gibt es bisher kaum etwas zu sehen. Gestern wurde erst der Rahmen errichtet.«
»Trotzdem. Die Landluft hat mir gefehlt. Lassen Sie uns ein bisschen spazieren gehen, ja?«
Oh. Er will also nicht den Pavillon sehen, sondern mit mir spazieren gehen. Allein. Paul war noch nie besonders subtil.
»Kann ich mitkommen?«, fragt Tess. Ich will schon Ja sagen, aber Maura stößt ihr den Ellbogen in die Rippen. Tess gibt ein wütendes Quieken von sich, und im nächsten Moment befindet sich Maura unter einem Haufen von Röcken auf dem Fußboden.
»Teresa Elizabeth Cahill!«, schimpfe ich. Ich weiß nicht genau, was sie getan hat, aber ich bin mir sicher, dass sie Magie benutzt hat. »Wir haben einen Gast! «, sage ich und zeige nachdrücklich auf Paul.
Er grinst nur, seine Mundwinkel zucken unter dem neuen Schnurrbart. Für mich jedenfalls neu – wer weiß, wie lange er ihn schon hat. »Kein Problem, macht nur weiter«, sagt er. »Ich bin kein wirklicher Gast. Ich gehöre ja praktisch zur Familie.«
Maura sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen an, aber ich mache ein böses Gesicht. »Sie sind ein Gast. Ermuntern Sie sie nicht noch. Und ihr zwei solltet euch wirklich schämen. Ihr seid zu alt für so etwas. Tess, entschuldige dich.«
»Sie hat angefangen«, wendet Tess ein und reibt sich die Seite.
»Weil du eine Idiotin bist«, sagt Maura. »Paul will nicht mit uns allen spazieren gehen. Er ist hier, um Cate zu besuchen.«
Tess kneift Maura ordentlich. »Ich bin keine Idiotin! Ich bin viel schlauer als du!«
»Ihr seid unmöglich, beide. Vielleicht solltet ihr Elena mal fragen, wie ihr Besuch angemessenen unterhalten könnt.« Ich nehme Pauls Arm und spüre seine Muskeln unter meiner Hand zucken. »Ein Spaziergang wäre herrlich. Bitte. Bevor ich die beiden umbringe.«
Eigentlich will ich dramatisch hinausschweben, aber auf einmal fällt die Türschwelle jäh ab und ich trete ins Leere. Ich stolpere und hätte mir beinahe den Kopf am Flurtisch aufgeschlagen und dabei die alte Vase umgeworfen, die ein Erbstück von Urgroßmutter ist. Doch Paul fängt mich gerade noch rechtzeitig auf, wobei er mir etwas näher kommt, als eigentlich notwendig gewesen wäre. Ich höre ein Kichern hinter mir, und als ich mich umdrehe, sehe ich Maura, wie sie mit einer Hand auf dem Mund und bebenden Schultern dasteht. Auch Tess kann sich ein Grinsen nicht verkneifen.
Gott, steh mir bei, meine Schwestern sind verdorben, und mein bester Freund
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