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Töchter des Mondes, Band 01: Cate (German Edition)

Töchter des Mondes, Band 01: Cate (German Edition)

Titel: Töchter des Mondes, Band 01: Cate (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Spotswood
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ich mit Dutzenden anderen Frauen in einem Kloster leben müsste. Es wäre zu riskant, dort meine magischen Kräfte geheim halten zu wollen.
    Nein, die Schwesternschaft ist keine Alternative.
    Ich krabbele unter den Tisch und fahre mit der Hand die Unterseite entlang. Das Tagebuch kann sich nicht einfach in Luft aufgelöst haben. Aber da ist nichts. Ich zucke zusammen, als mein Schuh an einem Nagel im Dielenboden hängen bleibt. Ich ziehe den Schuh aus und entdecke mit gerunzelter Stirn eine Laufmasche in meinem Strumpf. Mrs O’Hare wird mich mit Sicherheit wieder schelten, weil ich meine Strümpfe schneller abtrage als Maura und Tess zusammen, und –
    Was ist das?
    Ich bewege mich zentimeterweise rückwärts. Die Diele, die sich am nächsten an der Wand befindet, bewegt sich unter meiner Hand. Ich ziehe an dem hochstehenden Nagel, und er lässt sich ganz leicht herausziehen. Ich hebe das Brett an. Darunter ist ein Hohlraum. In der Hoffnung, keine krabbelnden Tiere aufzuscheuchen, fahre ich bis zum Ellbogen mit der Hand hinein. Ich taste den staubigen Boden ab und spüre etwas Kleines, Glattes, Rundes. Als ich es hervorhole, ist es nur ein grauer Knopf. Er muss aus Versehen dort hineingefallen sein. Ich kann mich noch an das Kleid erinnern, zu dem er gehörte: hochgeschlossen, mit grauen Volants in schwarzer Spitze eingefasst und einer ganzen Reihe dieser Knöpfe, die den Rücken hinuntergingen.
    Ich lege den Knopf in eine Schublade und suche weiter.
    Aber da ist sonst nichts.
    »Acclaro?« , wage ich einen hoffnungsvollen Versuch, und ich spüre, wie die Kraft mich durchströmt. Ich stoße noch einmal mit dem Arm in den Hohlraum, und auf einmal ist die Illusion der Leere durchbrochen und meine Fingerspitzen stoßen auf ein Buch.
    Der vertraute blaue Umschlag aus Stoff ist schmutzig, aber ich drücke das Buch trotzdem an mein Herz, weil es ein Teil von ihr ist. Was für Geheimnisse auch immer darin stehen, für ein paar Minuten wird sie wieder hier bei mir sein. Mutter wird mir sagen können, was ich tun soll. Sie weiß immer, was zu tun ist.
    Gott sei Dank.
    »Miss Cate?«
    Oh nein, das ist genau die Art von würdevoller Haltung, in der ich mich unbedingt von der Gouvernante überraschen lassen will: auf Händen und Knien unter Mutters Schreibtisch, mit nur noch einem Schuh an und dem Hintern in der Luft. Wenigstens ist sie nicht einen Augenblick eher gekommen und hat mich dabei ertappt, wie ich aus der bloßen Luft ein Buch hervorgezaubert habe. Hat sie noch nie etwas von Anklopfen gehört?
    Um das Ganze noch schlimmer zu machen, stoße ich mir auch noch den Kopf am Tisch, als ich mich nach ihr umdrehe.
    »Ich habe geklopft, aber keine Antwort gehört«, sagt Elena mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. »Mr McLeod ist gekommen, um Sie zu besuchen.«
    »Ich habe meinen Ohrring gesucht«, lüge ich. »Ich habe ihn verloren. Irgendwo.«
    »Verstehe. Möchten Sie sich vielleicht einen Augenblick zurechtmachen?«
    Macht sie sich über mich lustig? Ich bin etwas beleidigt, bis ich an mir herunterschaue. Mein Mieder ist von Staub bedeckt, das Haar fällt mir ins Gesicht, und meine Hände sind grau vor Schmutz. Es ist wirklich nicht die Aufmachung, in der ich einem potenziellen Ehemann gegenübertreten möchte.
    Ich stehe auf, klopfe mir den Staub von den Ärmeln und versuche, etwas von meiner Würde wiederzuerlangen. »Ja, ich denke, das wäre nicht verkehrt. Bitte sagen Sie Paul, dass ich gleich bei ihm bin.«
    * * *
    In der Ungestörtheit meines Zimmers wische ich den Staub von Mutters Tagebuch.
    Wenn es irgendein Besuch wäre, würde ich vorgeben, krank zu sein, und den Nachmittag lesend verbringen. Niemand würde denken, dass ich wegen irgendetwas anderem als Krankheit freiwillig drinnen bliebe. Ich muss unbedingt wissen, welchen Rat Mutter für mich hinterlassen hat. Ich war noch so jung, als sie gestorben ist, ich war gerade mal dreizehn und immer noch ein Kind. Bis zu meiner Absichtsbekundung schien es mir noch unendlich lange hin zu sein. Damals hätte ich nicht auf sie gehört, was auch immer sie mir über die Ehe und Männer erzählt hätte; vielleicht war sie klug genug, das zu wissen, und hat deswegen ihre mütterliche Weisheit für mich niedergeschrieben. Ich befinde mich in einem Zustand so angespannter Erwartung, dass meine Ohren klingeln wie die Schlüssel an Mrs O’Hares Gürtel.
    Aber es ist Paul. Ich kann ihn nicht versetzen. Und dann ärgere ich mich auch schon wieder über den Gedanken. Macht

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