Töchter des Mondes, Band 01: Cate (German Edition)
jetzt gehen. Du weißt ja, dass Mutter mich nicht gern aus den Augen lässt«, scherzt er, nachdem er einen Blick auf seine Taschenuhr geworfen hat. Sie gehörte einmal seinem Vater; er hat sie von ihm bekommen, kurz bevor er zur Universität gegangen ist. Ich weiß noch, wie stolz er war, er hat sie jedem gezeigt. Mutter sagte ihm, dass jeder Herr eine Taschenuhr besitzen sollte. »Das wäre einer der Vorteile, wenn wir nach New London ziehen, weißt du. Wenn wir hierbleiben, würde Mutter darauf bestehen, dass wir bei meinen Eltern wohnen. Sie meint es gut, aber sie würde dich verrückt machen mit all ihrem Getue. Und sie heizt das Haus, als wäre es der Hades.«
Ich lache, aber nur, weil er es von mir erwartet. Ich würde keinen Gefallen daran finden, die Schwiegertochter von Agnes McLeod zu sein, die mir ständig über die Schulter gucken und seufzend ihr Missfallen bekunden würde. Aber ich würde es tun. Wenn Paul nicht unbedingt nach New London ziehen wollte, könnte ich ihn tatsächlich heiraten und gleich nebenan wohnen.
Doch das scheint unmöglich. Wenn Mutters Tagebuch mich nicht von meinem Versprechen befreit, werde ich Nein sagen müssen, und Paul wird nicht verstehen, warum. Es wird alles ruinieren, und ich werde einen anderen finden müssen, der mich heiratet, und das schnell, ehe die Bruderschaft meint, sich einmischen zu müssen.
Außer – nein. Ich schüttele den Gedanken so schnell ab, wie er gekommen ist. Ich werde ihn zu nichts zwingen. Schlimm genug, dass ich Geheimnisse vor ihm habe. Aber ich werde keine Ehe führen, die auf Betrug basiert.
Ich ziehe die Stirn in Falten, als ich mein Spiegelbild auf dem Wasser sehe, und wünsche mit jeder Faser meines Körpers, keine Hexe zu sein.
Kapitel 5
Ich will gerade hoch in mein Zimmer huschen, als Elena wie ein beängstigend fröhlicher Springteufel aus dem Wohnzimmer geschossen kommt. Hat sie dort etwa gelauert und auf mich gewartet? Hoffentlich erwartet sie nicht von mir, dass ich ihr von Pauls Besuch erzähle.
»Kann ich kurz mit Ihnen sprechen, Miss Cate?«
»Ich – ja, natürlich.«
Sie führt mich ins Wohnzimmer und zeigt aufs Sofa. Als wäre sie hier zu Hause und nicht ich. Sie setzt sich auf den blauen Brokatsessel, den Paul erst vor Kurzem frei gemacht hat. Doch wo er sich hinfläzte und die Beine von sich streckte, lässt sie sich grazil nieder und hält den Rücken stocksteif, während ihre blütenrosafarbenen Röcke sich um ihre Füße ergießen.
»Sie scheinen mir nicht der Typ für Ausflüchte zu sein, also will ich offen mit Ihnen reden«, sagt sie und faltet die Hände im Schoß. »Sie sind die Älteste. Ihre Schwestern schauen zu Ihnen auf.«
Als ich den Mund öffne, um zu protestieren, winkt sie ab. »Das tun sie. Ob sie es nun zugeben wollen oder nicht. Wenn ich hier etwas erreichen soll, müssen wir zwei miteinander auskommen. Ich kann mir vorstellen, dass Sie nicht unbedingt darauf aus waren, eine Fremde im Haus zu haben. Aber Ihr Vater macht sich offensichtlich Sorgen darum, dass seine Mädchen ohne weiblichen Einfluss aufwachsen, und ich denke, eine Gouvernante ist immer noch besser als eine Stiefmutter, oder etwa nicht?«
Himmel, die Leute müssen mich heute aber auch unbedingt alle überraschen.
»Ich habe nicht vor, Sie herumzukommandieren oder zu bemuttern. Ich bin selbst gerade mal achtzehn«, vertraut sie mir an. »Es wäre Unsinn, Ihnen vorzumachen, dass ich viel klüger wäre. Aber wenn wir gegenseitiges Verständnis füreinander entwickeln, kann meine Zeit hier bei Ihnen sich sicherlich für uns beide als nützlich erweisen.«
Ich lehne mich vor und frage neugierig: »Wie das?«
»Mir scheint, dass Sie seit dem Tod Ihrer Mutter sehr abgeschieden leben. Maura fehlt die Gesellschaft. Ich könnte ihr eine Freundin sein. Lassen Sie mich ehrlich zu Ihnen sein. Meine Aufgabe ist nicht, Ihnen und Ihren Schwestern Französisch beizubringen – denn soweit ich es verstanden habe, spricht Tess schon sehr gut Französich. Ich bin hier, um Ihnen beizubringen, wie Sie mit langweiligen Leuten, die Sie nicht interessieren, Konversation betreiben. Was auch immer Ihre Gründe dafür sind, sich so zurückzuhalten« – sie sieht mich mit einem Blick an, der mehr als nur ein bisschen nervenaufreibend ist – »Sie ziehen die Aufmerksamkeit der Leute auf sich. Mrs Corbett sagt, Sie hätten inzwischen einen Ruf als Blaustrümpfe. Die Bruderschaft ist sehr strikt, was die Rolle der Frau angeht. Wir sollen uns sehen, aber
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