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Töchter des Mondes, Band 01: Cate (German Edition)

Töchter des Mondes, Band 01: Cate (German Edition)

Titel: Töchter des Mondes, Band 01: Cate (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Spotswood
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Brüder haben stets versucht, ihn zu übertreffen, aber sie haben es nicht geschafft. Und es war nicht bloß in Geografie. Der Mann ist einfach brillant.«
    »Sie übertreiben«, protestiert Finn.
    Doch Paul schüttelt den Kopf. »Sie waren in unserer Klasse in jedem Fach der Beste. Wir haben Sie alle beneidet.«
    »Komische Art, das zu zeigen«, murmelt Finn und wendet sich wieder seinen Bauplänen zu. Und auf einmal wird mir klar, dass die beiden, trotz Pauls Heiterkeit, nicht viel füreinander übrig haben.
    Paul lacht leise in sich hinein. »Der arme Belastra wurde regelmäßig verprügelt. Schuljungen sind so grausame Wesen. Die Brüder haben selten eingegriffen, aber dein Vater! Gott, ich habe ihn noch nie so wütend gesehen. Er hat uns einmal dabei erwischt, wie wir Belastras Bücher über den Schulhof gekickt haben, als er gerade Latein unterrichtet hat. Die Predigt, die daraufhin folgte, hätte sogar einem Stein ein Schuldgeständnis abgepresst.«
    »Ja, Vater kann sehr eloquent sein, wenn er will.« Vor allem, wenn es um Bücher geht. Ich frage mich, ob er auch nur halb so leidenschaftlich gewesen wäre, wenn er die Jungen dabei erwischt hätte, wie sie nach Finn traten.
    Paul lehnt sich gegen den Rahmen des Pavillons, als wollte er dessen Stabilität prüfen. »Es überrascht mich, dass Sie nicht selbst auf der Universität sind, Belastra. Würde zu Ihnen passen. Ich dagegen habe die meiste Zeit damit verbracht, durch die Stadt zu streifen.«
    Finns Lächeln wirkt etwas angespannt hinter seinen Papieren. »Man könnte sagen, das ist nicht unbedingt Sinn und Zweck der Universität.«
    Ich zucke zusammen, als mir Vaters Bemerkung wieder einfällt, was für ein ausgezeichneter Gelehrter doch an Finn verloren gegangen ist.
    »Nun, wie auch immer, ich bin froh, wieder hier zu sein.« Paul wirft mir einen unmissverständlich herzlichen Blick zu. »Lassen Sie uns zum Teich hinuntergehen, Cate, ja?«
    Die Bäume um den Teich lassen ihre goldenen Blätter über das Wasser hängen und gegen den Himmel erstrahlen. Paul nimmt einen Kieselstein und wirft ihn über die spiegelglatte Oberfläche. Ich zähle laut mit, so wie ich es getan habe, als wir noch Kinder waren: Zwei, vier, sechs, achtmal springt der Stein, bevor er versinkt.
    Ich versuche, die Schönheit um uns herum wahrzunehmen. Die Gänse, die auf ihrem Weg nach Süden sind. Paul, der in Erinnerungenschwelgt. Aber mein Blick wandert immer wieder zum Familienfriedhof auf der anderen Seite des Teiches. Im hinteren Teil mit den flachen Grabsteinen, die schon ganz verwittert und zerfallen sind, liegen die Gräber von Urgroßvater und den beiden kleinen Mädchen, die dem Fieber erlagen. Urgroßmutter ist direkt neben ihrem Mann begraben. In der Nähe liegen Vaters Onkel, von dem er das Reedereigeschäft geerbt hat, ein weiterer Onkel, eine Tante und ein Cousin, der bereits als kleines Kind verstarb. Dann kommt das Grab von Vaters Eltern. Großvater starb, noch bevor ich geboren wurde, und Großmutter, als ich noch so klein war, dass ich mich nur noch undeutlich an das weiche Garn erinnern kann, das ich immer für sie aufgewickelt habe, und an den Duft von Orangen, die sie so liebte. Daneben ist Mutters Grab. Geliebte Frau und hingebungsvolle Mutter . Und ein Zitat. Ein Gedicht.
    Neben Mutters Grab befinden sich fünf kleine Grabsteine, alle in einer Reihe. Drei Brüder, die starben, noch ehe sie einen einzigen Atemzug getan hatten. Einer lebte ganze zwei Monate. Monate, in denen wir Mutter im ganzen Haus singen hören konnten. Und dann das letzte kleine Grab: Danielle. Die Hebamme hatte Mutter gedrängt, sich ihrer eigenen Gesundheit wegen gegen sie zu entscheiden. Und letztendlich ist Mutter doch an ihr gestorben.
    Sie war ohnehin nur noch ein weiteres Mädchen.
    Ich frage mich nach wie vor, warum wir Mutter nicht genug gewesen sind – warum sie Vater unbedingt einen Sohn gebären wollte. Ein Sohn hätte zwar garantiert, dass das Haus und das Geschäft in der Familie bleiben und nicht auf unseren Cousin Alec übergehen. Und ein Bruder hätte eine ansehnliche Mitgift bereitstellen können, um sicherzustellen, dass wir gut heiraten. Aber nichts davon kann einen mütterlichen Rat ersetzen.
    »Cate? Ist alles in Ordnung?« Paul schaut zu mir hinunter.
    Ich bemühe mich, zu lächeln. »Oh, ich hab wohl mit offenen Augen geträumt, was?«
    Er grinst, weil er offensichtlich denkt, dass es sein Antrag war, über den ich nachgedacht habe.
    »Ist in Ordnung. Ich sollte

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