Töchter des Mondes, Band 01: Cate (German Edition)
bemerkt Maura. »Du solltest zurückschäkern. Hat er irgendwelche Andeutungen gemacht? Ich meine – dass er dich heiraten will?«
»Er hat gesagt, dass wir bis Dezember noch jede Menge Zeit haben, uns wieder aneinander zu gewöhnen.«
»Cate!«, kreischt Maura, springt mir auf den Schoß und wirft mich um. In ihrer Aufregung ist sie wie ein junger Hund. »Warum hast du mir das nicht gleich erzählt?«
»Weil er mich nicht offiziell gefragt hat. Noch nicht. Er hat noch nicht einmal mit Vater geredet. Und weil ich nicht – ich weiß nicht, ob ich Ja sagen kann.«
Meine Schwester starrt mich an, das Gesicht nur Zentimeter von meinem entfernt, und ihre saphirblauen Augen sind groß vor Erstaunen. Sie hat eine kleine Narbe am Kinn, die noch aus der Zeit stammt, als sie die Windpocken hatte. »Warum nicht?«
»Weil er nach New London zurückgehen wird. Der Mann, bei dem er in der Ausbildung war, hat ihm eine Stelle in seiner Firma angeboten.«
Maura setzt sich auf und kämmt sich das Haar aus dem Gesicht. »Du Glückliche. Ich würde meinen rechten Arm dafür hergeben, in New London zu leben. Du hast doch nicht – oh, Cate, du hast ihn doch nicht etwa abgewiesen, oder? Deswegen? Ich weiß, dass du den Gedanken, irgendwo in einer Wohnung zu leben, wo es keine Bäume und keinen Garten gibt, nicht besonders reizvoll findest. Aber es gibt Parks in der Stadt, oder etwa nicht? Und eines Tages wird er genug Geld verdienen, um dir ein richtiges Haus zu kaufen und – «
»Er hat gesagt, er könnte ein Haus mieten. Daran liegt es nicht.« Ich schaue auf die Tagesdecke und Mutters saubere, gleichmäßige Stiche. »Aber ich kann dich und Tess nicht einfach zurücklassen.«
Maura tritt nach mir. »Natürlich kannst du das. Wir würden dich besuchen kommen, du Dummerchen.«
»Aber es ist so weit weg. Es ist nicht einfach nur in der Stadt oder in der nächsten Stadt, es ist ganze zwei Tage weit entfernt. Ich könnte es mir niemals verzeihen, wenn euch etwas zustoßen sollte.«
Erst ist sie ganz still, doch dann schubst Maura mich mit beiden Händen. Ich falle vom Bett und komme unbeholfen wieder auf die Beine. »Mach das ja nicht!«, faucht sie. »Nimm uns ja nicht als Entschuldigung, ihn nicht zu heiraten, Cate. Wir können selbst auf uns aufpassen.«
Ich schlinge die Arme um mich und fühle mich elend. Können sie das wirklich? Ich wünschte, ich wüsste es.
»Vielleicht haben wir dich ein bisschen gebraucht – kurz nachdem Mutter gestorben war – «
Ein bisschen? Ich versteife mich, als ich daran denke, wie wir drei zusammen in einem Bett geschlafen haben, zusammengerollt wie kleine Kätzchen. Als Maura immer blasser und dünner wurde und ihr Zimmer kaum noch verlassen hat, habe ich Mrs O’Hare überredet, all ihre Lieblingsgerichte zu kochen. Und wenn sie ihren Teller aufgegessen hatte, bin ich hinterher als Belohnung mit ihr in den Rosengarten gegangen, um mit ihr zu zaubern. Und als Tess Scharlach hatte, bin ich nicht von ihrer Seite gewichen. Ich habe ihr so lange vorgelesen, bis ich keine Stimme mehr hatte. Ich habe versucht, Mutters Abwesenheit wettzumachen. Ich habe es nie wirklich geschafft, ich weiß – niemand hätte das gekonnt –, aber ich habe es so sehr versucht.
»Es ist mir egal, was du Mutter versprochen hast«, redet Maura weiter und zieht dabei wild die Stirn in Falten. »Du bist nicht für uns verantwortlich, verstehst du? Wenn du Paul heiraten willst, solltest du besser Ja sagen, wenn er dich fragt. Er wird nicht zweimal fragen.«
Das Abendessen verläuft merkwürdig. Mrs Corbett ist da und plappert die ganze Zeit von Reginas ach so vorteilhafter Heirat. Sie ist ganzaußer sich vor Entzücken, wie herrlich Reginas Anwesen ist und wie eindrucksvoll Regina die Räume dekoriert hat. Daraufhin schaut sie sich mit offensichtlicher Abneigung in unserem Esszimmer um. Der schwere rote Damast an den Wänden wurde nicht erneuert, seit Vater ein Kind gewesen ist, und die geblümten Teppiche zeigen auch bereits eindeutige Abnutzungsspuren. Der Mahagonitisch und die Stühle mit den geschwungenen Rücken sind im alten orientalischen Stil mit Schnörkeln und Drachen verziert und ganz anders als die neue arabische Mode. Alle Häuser im Ort haben inzwischen Gaslampen, aber wir benutzen immer noch Kerzen. Vater besteht darauf.
Ich höre das summende Stimmengewirr um mich herum, doch ich höre kaum zu. Stattdessen ertappe ich mich dabei, wie ich Elena beobachte. Ich wünschte, ich könnte die Leute so
Weitere Kostenlose Bücher