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Töchter des Mondes, Band 01: Cate (German Edition)

Töchter des Mondes, Band 01: Cate (German Edition)

Titel: Töchter des Mondes, Band 01: Cate (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Spotswood
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offensichtlich einen großen Eindruck auf mich gemacht. Arabella war ein Muster an – an Mut und Einfallsreichtum«, sage ich leise und verschränke die Hände hinter dem Rücken.
    Finn sieht neugierig zu mir herunter. »Ich habe Sie, ehrlich gesagt, nicht für eine große Leserin gehalten.«
    Ich bin enttäuscht. »Hat Vater das gesagt?«
    »Nein. Ich habe es angenommen . Sie holen oft Bücher für Ihren Vater ab, aber ich habe nur selten mitbekommen, dass Sie etwas für sich selbst kaufen.«
    Da hat er recht. Ich kann mich auch nicht daran erinnern, wann ich zum letzten Mal freiwillig ein Buch in die Hand genommen hätte, ausgenommen einen Almanach, um nachzuschlagen, wann welche Blumenzwiebeln oder Kräuter gepflanzt werden müssen. Aber früher habe ich gelesen – nicht so viel wie Tess oder Maura, aber mehr, als ich es jetzt tue. Ich habe eine Menge Sommernachmittage in den knorrigen Ästen unseres Apfelbaumes verbracht und die Geschichten vom Piraten LeFevre verschlungen.
    Maura hat schon immer die Märchen und Romanzen geliebt, die auch Mutter gefielen, aber ich mochte die Abenteuergeschichten aus Vaters Bibliothek am liebsten. Ich habe Vater früher angebettelt, sie mir vorzulesen – je blutrünstiger, desto besser. Geschichten von bösen Königen und Schurken, Piraten und Schiffbrüchen. Einmal habe ich Paul überredet, mir zu helfen, ein Floß zu bauen, und wir sind damit über den Teich gepaddelt. In der Mitte des Teiches hat sich dann langsam das Wasser auf dem Floß gesammelt, und wir mussten letztendlich ans Ufer zurückschwimmen. Als ich nach Hause kam, sah ich halb ertrunken aus, und Mrs O’Hare hat einen ganz schönen Schreck bekommen.
    Ich zucke mit den Schultern und streiche meinen Rock glatt. »Junge Damen sollten keine Piratengeschichten lesen.«
    Da lacht Finn und wirft seinen Apfel hoch in die Luft. »Ich dachte, Ihr Vater würde Wert darauf legen, seine Töchter zu unterrichten.«
    »Genau, Vater legt Wert darauf, dass wir lesen, um uns zu bilden, nicht um uns zu vergnügen.«
    »Nun, dann werden er und ich wohl darin übereinstimmen, in diesem Punkt nicht übereinzustimmen. Wozu ist ein Buch gut, wenn das Lesen kein Vergnügen macht?« Finn hält mir sein Exemplar voller Eselsohren hin. »Sie können meins haben, wenn Sie mögen. Wir haben ein halbes Dutzend davon im Laden.«
    Ich bin halb versucht. Es wäre schön, wieder auf einen Baum zu klettern und meine Gedanken mit Arabella in fremde Häfen und zu verlassenen Inseln abschweifen zu lassen. Sie musste sich keine Gedanken darüber machen, einen Mann zum Heiraten zu finden. Die Männer sind ihr regelrecht hinterhergelaufen – außer als sie sich als Junge verkleidet hatte natürlich. Und sogar da einmal.
    Doch bedauerlicherweise lebe ich in Neuengland und nicht an Bord der Calypso . Und ich muss mir Gedanken übers Heiraten machen. Und über die Bruderschaft und jetzt auch noch über diese verdammte Prophezeiung.
    »Nein, danke.« Ich gehe an Finn vorbei und knie mich vor das Durcheinander von Rosen. »Ich habe mein Exemplar noch. Ich habe nur nicht mehr die Zeit, zu lesen.«
    »Das ist das bisher Traurigste, was ich heute gehört habe«, sagt Finn und fährt sich mit den Händen durch seine unordentlichen Haare. »Lesen ist doch die beste Möglichkeit, dem zu entkommen, was uns plagt.«
    Aber ich kann nicht entkommen.
    »Sie scheinen … aufgebracht zu sein«, fährt er vorsichtig fort. »Tut mir leid, Sie zu belästigen.«
    »Ich fühle mich nicht belästigt« , blaffe ich und trenne die Zweige voneinander. Ich bin wütend. Warum ist es Mädchen nie gestattet, wütend zu sein?
    Finn kniet sich neben mich. Er streckt eine Hand aus, um mir zu helfen, und sticht sich sofort an einem Dorn. »Au.« Ein Blutstropfen bildet sich auf seinem Finger, und er steckt ihn sich in den Mund. Er hat einen schönen Mund – rot wie Kirschen –, seine Unterlippe ist ein bisschen voller als die obere.
    Ich wühle in meiner Manteltasche und ziehe ein altes Taschentuch heraus. »Hier«, biete ich an und werfe es ihm praktisch an den Kopf.
    »Danke.« Finn fängt es auf und wickelt es um seinen Finger. Er fasst wieder in die Rosenbüsche.
    »Lassen Sie mich das machen«, sage ich. »Sie wissen ja nicht, was Sie tun.« Ich denke daran, wie Mutter diese Rosen gepflanzt hat. Ich will nicht, dass Finn sie ruiniert, indem er die Blumen statt des Unkrauts herausreißt.
    Er sagt kurze Zeit nichts, und ich erwarte schon, dass er aufsteht und geht, weil er genug

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