Töchter des Mondes, Band 01: Cate (German Edition)
hat von diesem verrückten, Piraten liebenden Drachen von einem Mädchen.
»Dann zeigen Sie mir, wie es geht«, schlägt er mit ernstem Gesicht vor. »Ich bin der Gärtner. Ich sollte wissen, wie es geht.«
Ich seufze. Ich würde es ihm gern übel nehmen, dass er hier ist, an meinem Platz; dass er ein Junge ist mit allen Freiheiten, die ich nicht habe; dass er der kluge Sohn ist, den Vater gern hätte. Aber er macht es mir nicht leicht. Er ist überhaupt nicht der eingebildete Musterknabe, für den ich ihn gehalten habe.
Und er hat all meinen Zorn über sich ergehen lassen, ohne sich auch nur mit einem einzigen Wort zu beklagen. Als wenn er wüsste, dass es genau das ist, was ich gerade brauche. Ich habe Angst davor, was ich tun könnte – was ich sagen könnte –, wenn er jetzt nicht weggeht.
»Nicht heute«, sage ich. »Bitte. Ich möchte einfach allein sein.«
Finn steht auf und nimmt sein Buch und seine Brotdose. »Natürlich. Ein andermal vielleicht. Einen schönen Nachmittag, Miss Cahill.«
Kapitel 7
Ich fühle mich wie ein gestopfter Truthahn.
Maura und ich waren diesen Morgen wieder bei Mrs Kosmoski, um die letzten Änderungen vornehmen zu lassen. Angeline hatte ganz verweinte Augen aus Kummer um Gabrielle , die, wie schon ihre Schwester zuvor, ohne Prozess weggeschickt wurde. Angeline faltete und zwickte an uns herum, während ihre Mutter uns mit Nadeln absteckte. Jetzt sitzen unsere neuen Kleider perfekt. Wir sind absolut modisch – und ich fühle mich absolut lächerlich. In meinem knallvioletten Kleid mit den riesigen Puffärmeln sehe ich aus wie eine Hochzeitstorte. Die Stufenröcke – vier Meter Brokat – weiten sich zu einer Glocke; das Hinterteil ist gepolstert und gerüscht wie die Unterseite eines Regenschirms. Elena hatte mein Korsett so eng geschnürt, bis ich kaum mehr atmen konnte und noch viel weniger protestieren.
Meine Hand, die bis zum Ellbogen in einem grauen Lederhandschuh steckt, liegt anmutig auf Johns ausgestrecktem Arm. Er lächelt, als er mir von der Kutsche hinunterhilft – oder vielleicht lacht er hinter seinem Bart auch über mich. Ich fühle mich noch nicht allzu sicher in meinen neuen Absatzschuhen, die ich erst gestern beim Schuster abgeholt habe.
Maura segelt in ihrem voluminösen, kornblumenblauen Kleid vor mir her und lässt ihre Hüften schwingen. Sie präsentiert ihre Kurven mit solcher Selbstsicherheit und Anmut. Sie ist wunderschön; das Kinn hocherhoben, die Wangen vor Aufregung gerötet. Ihr Kleid hat einen schwarzen Spitzenbesatz und ein dazu passendes schwarzes Band mit Schnalle, ganz anders als mein pfauenblaues Ungetüm von einem Kummerbund.
Das Hausmädchen der Ishidas führt uns in das Wohnzimmer, in dem ein Dutzend Damen Tee aus Porzellantassen mit rosafarbenen Kirschblüten trinken – ein Hinweis auf das japanische Erbe der Ishidas. Damals, als die Töchter der Persephone die Kolonien gründeten, hatten sie die Sklaverei abgeschafft und Religionsfreiheit versprochen. Hexen aus aller Welt kamen nach Neuengland. Zwei Jahrhunderte später sind jetzt Gesichter jeder Hautfarbe auf den Straßen zu sehen, und ein Dutzend Familien japanischen Ursprungs leben in der Stadt. Es gab ein paar unschöne Szenen während des Krieges mit Indochina, aber das ist zwanzig Jahre her: Inzwischen sind die Ishidas eine der respektabelsten Familien Chathams. Trotzdem betont Mrs Ishida immer wieder, dass ihre Abstammung japanisch ist, damit die Nachbarn sie nicht mit den anderen orientalischen Gesichtern verwechseln.
»Miss Cahill, Miss Maura, guten Nachmittag! Ach, sehen Sie entzückend aus!«, gurrt Mrs Ishida.
Ich zwinge mich zu einem Lächeln und gebe eine angemessen fade Antwort. Der Raum ist bereits gefüllt von den Ehefrauen der Brüder und ihren Töchtern. Mrs Ishida geleitet uns durch die Flügeltüren zum Esszimmer, wo Sachi und Rory an einem langen Tisch mit Dahlien Tee und heiße Schokolade ausschenken.
»Miss Cahill, Miss Maura, wir sind so froh, dass Sie gekommen sind«, sagt Sachi. Ihr zartes Puppengesicht wird von eindrucksvollen mandelförmigen Augen beherrscht, die von dichten, schwarzen Wimpern umrahmt sind. »Miss Cahill, das ist ein wunderschönes Lila! Ihre Augen sehen beinahe violett aus in diesem Licht!«
»Dankeschön«, murmele ich. »Es war sehr freundlich von Ihrer Mutter, uns einzuladen.«
Rory wirft Sachi einen schalkhaften Blick zu, und Sachi lacht. »Oh, das ist mein Verdienst; Mama hätte nie daran gedacht. Ich hatte Sie nur neulich
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