Töchter des Mondes, Band 01: Cate (German Edition)
fallende Kreatur verwandelt.
»Mir war nur kurz etwas schwindelig. Die ganze Aufregung. Es geht mir schon wieder besser«, lüge ich. Ich raffe mich zu einem Lächeln auf, setze mich gerade hin und fahre mir mit der Hand über den Nackenknoten.
Mrs Kosmoski setzt sich zu uns, während ihre Tochter in die Wohnung läuft, um Tee aufzusetzen. Die Schneiderin sieht mich ausnahmsweise mal freundlich an. »Ich mache Ihnen gar keinen Vorwurf, meine Liebe. Egal, wie oft ich so etwas sehe, es ist jedes Mal gleich schlimm.«
»Hat sie sehr lange für Sie gearbeitet?«, fragt Elena und hält über einem wasserblauen Seidenstoff inne.
»Fast ein Jahr. Sie und meine Angeline sind im gleichen Alter. Gabby war immer ein braves Mädchen. Sie hat hart gearbeitet. Nicht, dass ich sie verteidigen will, Gott behüte – « Mrs Kosmoski wird rot, als ob ihr auf einmal eingefallen wäre, dass die hübsche, modische Elena ja Schwester Elena ist. »Es ist die Aufgabe der Bruderschaft, festzustellen, wer zu den Rechtschaffenen gehört und wer zu den Gottlosen. Doch die arme Mutter, zwei Mädchen zu verlieren. Marguerite ist letzten Monat verhaftet worden. Es war ein sehr seltsamer Fall – keine Verhandlung, und die Familie hat keinerlei Antwort auf die Frage bekommen, wohin sie gebracht wurde.«
»Hat sie noch mehr Kinder?«, fragt Elena.
»Noch ein Mädchen«, sagt Mrs Kosmoski und fährt mit dem Finger die Ananasse und Beeren nach, die in die Armlehne des Sessels geschnitzt sind. »Julia ist erst elf.«
Drei Schwestern. Ist es Zufall oder Schlimmeres? Ich rufe mir alle jüngsten Verhaftungen ins Gedächtnis. Letztes Frühjahr sind drei Schwestern in Vermont verhaftet worden. Wird Julia Dolamore als Nächstes weggeschafft?
Tess hebt die Rolle Schleifenband auf, die Gabrielle fallen gelassen hat, und wickelt das Band langsam, mechanisch wieder auf. »Danke, Liebes, das brauchst du nicht«, sagt Mrs Kosmoski.
»Es macht mir aber nichts aus«, entgegnet Tess. Sie kümmert sich gern um solche Sachen, wenn sie aufgebracht ist. Maura ist wieder zum Verkaufstresen gegangen und gibt vor, sich die Musterstücke anzusehen, doch ich kann an der Art, wie schnell sie durch die Seiten blättert, merken, dass sie nicht ein bisschen ruhiger ist als Tess.
»Nun, ich denke, die Brüder wissen, was sie tun, trotzdem ist es bedauerlich.« Mrs Kosmoski steht auf und reibt die Hände aneinander, als würde sie die unschöne Szene damit wegwischen können. »Haben Sie sich Stoffe ausgesucht?«
Und das war es. Mrs Kosmoski, Elena und Maura nehmen ihr Gespräch über die Vorzüge von herzförmigen Ausschnitten im Gegensatz zu eckigen wieder auf, von Bändern mit Schnallen im Gegensatz zu Seidenkummerbunden. Ich kann es nicht fassen, dass sie einfach so weitermachen, als ob die Frage rosa Taft oder blaues Brokat wirklich wichtig wäre.
Gabrielle ist unschuldig. Ich bin es nicht. Ich habe niederträchtig und falsch gehandelt. Ich habe bei meinem eigenen Vater Gedankenmagie angewendet. Die Worte der Brüder hallen in meinem Kopf wider. Ich bin eine Hexe. Ich hätte diejenige sein müssen, die sie mitnehmen, nicht sie.
Aber ich danke Gott dafür, dass ich es nicht war. Bin ich deswegen ein schlechter Mensch?
Eine halbe Stunde später ist unser Geschäft erfolgreich abgeschlossen, und wir treten hinaus in die kühle Septembersonne. Auf der anderen Straßenseite steht die Tür der Chocolaterie offen, und der wunderbar bittersüße Geruch von dunkler Schokolade weht zu uns herüber. Wir machen uns auf den Weg zum Schreibwarenladen, um Einladungskarten zu besorgen.
Tess und ich hängen etwas hinterher. »Geht es dir gut?«, fragt sie und schaut mich mit ihren grauen Augen prüfend an.
Ich nicke. Es ist schwierig, irgendetwas vor meiner kleinen Schwester zu verstecken; sie ist einfach viel zu einfühlsam. Sie und Maura wären fuchsteufelswild, wenn sie wüssten, dass ich Geheimnisse vor ihnen habe, egal, was Mutter gesagt hat. Wenigstens kann ich meinen Kummer jetzt durch die schlimme Szene, deren Zeuginnen wir gerade waren, rechtfertigen. »So gut, es geht, nach der Vorstellung gerade. Und dir?«
Tess beißt sich auf die Unterlippe. »Die arme Gabby. Wenn wir doch nur irgendetwas hätten tun können, um – « Sie hört mitten im Satz auf und schlägt sich die Hand vor den Mund. »Meine Güte, was ist denn mit der los?«
Brenna Elliott steht vor dem Tor zum Haus ihres Großvaters. Sie geht hindurch und kommt wieder zurück auf die Straße, anscheinend
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