Töchter des Mondes, Band 01: Cate (German Edition)
»Danke. Das … das bedeutet mir eine Menge«, sage ich leise.
Ich höre, wie oben eine Tür geöffnet wird und Schritte die Treppe hinunterkommen. Finn erscheint in Stiefeln und Hemdsärmeln, seine Haare sehen unmöglich aus. »Cate? Ich meinte, Sie gehört zu haben.«
»Finn.« Seine Mutter sieht ihn eindringlich an. »Wir sind gerade mitten dabei – «
Finn wird ernst. »Was ist los?«
Ich versuche, mich zusammenzureißen. »Nichts. Alles bestens.«
»Könntest du uns einen Augenblick allein lassen?«, bittet Marianne, und Finn geht gehorsam in den vorderen Ladenbereich. Sie nimmt Zaras Manuskript und hält es mir hin. »Ich weiß, dies muss gerade sehr verstörend für Sie sein, Cate. Wenn Sie Teil der Prophezeiung sind, dann ist das eine große Verantwortung. Und eine große Gefahr. Vielleicht hilft es Ihnen, es im Kontext mit den anderen Prophezeiungen des Orakels zu lesen. Anna hat wirklich geglaubt – «
Das Läuten der Türglocke lässt sie innehalten.
»Mama!« Clara kommt hereingelaufen. »Bruder Ishida und Bruder Winfield sind auf dem Weg hierher!«
Ich springe auf. Marianne packt hektisch die Manuskripte ein und drückt sie mir in die Hand.
»Was soll ich damit machen?«, frage ich panisch.
»In die Kammer«, gibt Finn hinter mir Anweisung.
»Was?«
»Cate, wir haben keine Zeit, das auszudiskutieren. Gehen Sie in die verdammte Kammer!«
Ich wusste gar nicht, dass Finn so reden kann. Er stößt mich nicht allzu sanft durch die Reihen von Bücherregalen, und ich stolpere vorwärts zur Ladentheke. Finn öffnet die Tür neben der, die zu ihrer Wohnung hinaufführt – das ist die Kammer, aus der er gestern das Prozessregister hervorgeholt hat. Darin ist ein hohes Bücherregal mit in Leder gebundenen Bänden. Sollen wir uns hier drin verstecken? Es scheint mir kein sehr gutes Versteck zu sein.
Doch Finn schiebt das große Bücherregal zur Seite, als ob es nichts wiegen würde. Dahinter ist eine kleine Tür, ein bisschen erhöht in der Wand. Er beugt die Schultern, schlüpft hindurch und winkt mich herbei. Ich spähe zweifelnd in den winzigen Raum, der aussieht wie ein Rübenkeller. Finn hat kaum Platz, aufrecht darin zu stehen. An den irdenen Wänden sind Bücherstapel aufgetürmt, und offen gesagt sieht es aus wie das ideale Zuhause für Spinnen.
»Beeil dich«, sagt Finn. Er streckt mir eine Hand entgegen, um mir über die Türschwelle zu helfen, aber ich steige allein darüber. Mrs Belastra reicht Finn eine Kerze, und Clara wirft mir meinen Mantel zu und schließt die Tür hinter uns. Ich höre das Geräusch von Holz auf Stein, als die beiden das Bücherregal wieder vor die Tür schieben. Vorsichtig lege ich die Manuskripte auf einen Bücherstapel.
Gerade als die Kammertür geschlossen wird, höre ich, wie die Türglocke über dem Eingang der Church Street ertönt. Der schwere Gang von Männerstiefeln. Bruder Ishidas unverkennbare Stimme, mit der er Mrs Belastra begrüßt.
Kaum habe ich mich im Raum zurechtgefunden, da pustet Finn die Kerze aus und lässt uns damit in vollkommener Dunkelheit. Bei dem Versuch, mich ein Stückchen von der feuchten Wand wegzubewegen, stoße ich gegen etwas auf dem Fußboden. Noch ein Stapel Bücher. Ich gerate ins Schwanken und rudere mit den Armen. Wenn ich jetzt die Bücher umwerfe, sind wir alle verloren.
Doch Finn fängt mich auf und zieht mich zurück. Drückt mich an sich.
Ich höre, wie Bruder Ishida Mrs Belastra nach einer Liste ihrer letzten Kunden fragt. Ich erstarre und gehe in Gedanken all unsere letzten Einkäufe durch. Bloß Sprachlehrbücher und wissenschaftliche Wälzer. Sie werden annehmen, dass ich wegen Vater hier war.
»Keine Kundschaft im Moment, Mrs Belastra?«
»Im Moment nicht. Das Geschäft läuft aus unerfindlichen Gründen gerade nicht besonders gut«, sagt sie, und ich kann ihr freches Grinsen vor meinem inneren Auge sehen.
»War Miss Cahill nicht vorhin hier? Wir haben sie gar nicht wieder gehen sehen.«
»Sie ist hinten hinausgegangen. Wollte sich noch meine Rosen ansehen.«
Finn fasst nach meiner Hand und drückt sie.
Normalerweise würde ich mich von ihm losreißen. Ich bekomme es nicht so schnell mit der Angst zu tun, das sollte er langsam mal wissen.
Nur habe ich tatsächlich gerade ziemliche Angst. Ich schlinge meine Finger um seine und erwidere den Druck. Seine Hand ist wärmer als meine. Er hat Hornhaut an den Fingerspitzen. Ist die Hornhaut von dem Hammer und den Schaufeln, die er in unseren Gärten
Weitere Kostenlose Bücher