Töchter des Mondes - Sternenfluch (German Edition)
dich an einen sicheren Ort brächte? Wo du mit mir und der kleinen Seherin zusammen sein kannst. Und Rory.«
Brenna kommt ganz nah an mich heran. »Rory? Onkel Jacks Rory?«
»Ja. Wir würden uns um dich kümmern. Du würdest bei uns sicher sein.«
Sie zieht die Augenbrauen hoch, als ob sie das nicht begreifen könnte. Dann dreht sie sich weg und fährt mit der Hand über die Stoffwände. »Letztendlich werden sie mich trotzdem umbringen. Aber … ja. Ich glaube, ich würde Rory gerne wiedersehen.«
»Ich komme dich bald holen. In ein paar Tagen. Das darfst du aber niemandem erzählen.«
»Ich würde die Kleine auch gerne treffen«, überlegt Brenna. »Sie ist nicht gebrochen wie ich. Noch nicht.«
Mir läuft es kalt den Rücken hinunter. »Nein. Ich werde auf sie aufpassen.«
Doch Brenna schüttelt den Kopf. »Du kannst sie nicht beide beschützen, Cate. Das ist dein Schicksal.«
Was meint sie damit? Dass ich mich eines Tages zwischen Maura und Tess entscheiden muss? Ich würde sie gerne danach fragen, aber ich fürchte, dass die Antwort mich vernichten würde.
Ich weiche zurück, bis mir der Türknauf in die Hüfte stößt. »Ich muss gehen. Ich komme dich bald holen, Brenna. Versprochen.«
Der Ausdruck in Brennas blauen Augen schmerzt mich – als ob sie es gewöhnt sei, dass die Leute ihr Dinge versprechen und sie nicht halten. Sie nickt hinter dem Vorhang ihrer verfilzten Haare. »Auf Wiedersehen, Cate.«
Himmel, ich hoffe, ich kann mein Wort halten. Brenna ist krank und traurig, und sie hat es absolut nicht verdient, hier zu sein. Keins der Mädchen hat das verdient.
Wieder draußen auf dem Flur, lasse ich mich wie eine verwelkte Sonnenblume gegen die Wand sinken. Die Krankenschwester schnarcht immer noch, und das Wasser vom kaputten Dach tropft in regelmäßigen Abständen in die beiden Zinneimer.
Ich will mir die Wahrheit nicht eingestehen. Ich will kein Mädchen sein, das solche Überlegungen anstellt. Ein Mädchen, das gefühllos ein Leben gegen das andere abwägt. Ich will nicht, dass ich mich durch das Führen der Schwesternschaft in Inez verwandle, noch nicht einmal in Cora. Ich will mir selbst treu bleiben.
Doch die Tatsachen schwirren mir in einer endlosen Schleife durch den Kopf.
Brenna weiß von Tess.
Brenna ist verrückt. Sie wird ihre Geheimnisse nicht ewig für sich behalten können.
Tess ist nicht mehr nur meine kleine Schwester. Sie ist die Seherin, die diesen Krieg für uns gewinnen könnte.
Was bedeutet …
Wenn ich Brenna nicht befreien kann, werde ich sie töten müssen.
Wie vereinbart, erscheine ich um halb vier an der Tür zum Krankensaal. Ich spähe hinein. Schwester Sophia spricht mit einer der beiden Krankenschwestern; ihre Aufgabe ist es, die beiden abzulenken. Addie sitzt neben demselben hustenden Mädchen wie letzte Woche. Die Frau, die aussah wie ein Skelett, ist nicht mehr da, ihr Bett ist leer, und ich frage mich, ob sie wohl gestorben ist. Die Mutter, die ich geheilt habe, ist auch nicht mehr da, sondern wurde hoffentlich nach oben gebracht – und nicht in das Gemeinschaftsgrab, von dem Zara gesprochen hat. Ich schwöre mir, dass keine dieser Frauen dort enden wird.
Als Mei mich sieht, eilt sie zu mir. »Bist du so weit?«
Ich nicke, und dann gehen wir gemeinsam den leeren Gang hinunter. Links von uns ist die Küche. Es riecht süß und säuerlich, nach verdorbenem Fleisch und frisch gebackenem Brot. Ich halte die Luft an, bis wir an der Tür vorbei sind. Das Scheppern von Metall erklingt. Offenbar werden gerade Töpfe und Pfannen abgewaschen. Eine hohe, schöne Stimme singt eines der alten Lieder und bricht dann abrupt ab.
Wir hören klappernde Absätze auf die Tür zukommen, und schnell drehen Mei und ich wieder in Richtung des Krankensaals um. Wir halten kurz inne, als ein Spülmädchen aus der Küche kommt und eine durchnässte Brünette hinter sich her zieht. Das Gesicht des Mädchens ist rot vom Dampf, ihre Haare sind feucht, und sie trägt immer noch eine nasse weiße Schürze um die Taille.
»Wie oft soll ich es dir denn noch sagen, Livvy? Singen ist nicht erlaubt!«, schilt sie das Spülmädchen. »Jetzt kann ich meinen Tee nicht trinken, nur weil ich dich in dein Zimmer zurückbringen muss!«
»Es tut mir leid. Es ist einfach so passiert. Es war keine Absicht«, sagt Livvy. Als ihre braunen Augen mich entdecken, erwarte ich eigentlich, dass sie den Blick sofort senkt, aber stattdessen sieht sie uns neugierig an. »Guten Tag,
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