Töchter des Mondes - Sternenfluch (German Edition)
haselnussbraunen Augen sind ernst. »So, und jetzt erzähl mir von dem wunderbaren Finn. Wie habt ihr euch kennengelernt?«
Ich lache. »Tja, gekannt habe ich ihn schon immer, aber er ist mir nie wirklich aufgefallen, bis vor ein paar Monaten, als wir in unserem Garten buchstäblich ineinandergelaufen sind. Mein Vater hatte ihn nämlich als Gärtner angestellt …«
»Du hast was vor?«, keucht Finn eine Stunde später. Seine Brille ist durch den Dampf seines Atems beschlagen, aber ich kann mir den missbilligenden Blick dahinter gut vorstellen.
Ich dränge mich durch das schmiedeeiserne Tor, das vom Klostergarten auf die Straße führt. »Du hast mich schon richtig verstanden.«
»Dann bist du verrückt.« Er fährt sich mit der Hand durch die zerzausten Haare. »Warum könnt ihr die Mädchen denn nicht einfach fragen, ob sie der Gedankenmagie fähig sind?«
»Weil es während der Befreiungsaktion bestimmt wie im Tollhaus zugehen wird. Und wer weiß, was sie überhaupt noch wissen und in was für einer Verfassung sie sind, nachdem sie so lange unter Medikamenteneinfluss standen. Vielleicht vertrauen sie uns nicht. Bitte, streite deswegen nicht mit mir.« Ich lege ihm meine in einem schwarzen Satinhandschuh steckende Hand auf den Arm.
Finn holt mit seinem schweren schwarzen Stiefel aus und wirbelt den Schnee auf. »Warum kann ich nicht einfach gehen und die Akten für dich holen?«
Ich sehe ihn mit erhobenen Augenbrauen an. Wir verschwenden gerade wertvolle Zeit mit Diskutieren. »Du hast doch gesagt, es wären Hunderte von Akten. Wir schaffen es vielleicht noch nicht einmal, die richtigen Akten zu finden, wenn wir beide danach suchen, und alleine wird es dir erst recht nicht gelingen.«
»Ich lese ziemlich schnell«, sagt Finn verärgert.
»Das glaube ich dir gerne.« Ich verdrehe die Augen und blicke auf das verschneite Kopfsteinpflaster. Das Letzte, was ich will, ist, seinen Stolz als Gelehrten zu verletzen. »Aber wenn du mitten in der Nacht dabei erwischt wirst, wie du in Szymborskas Büro nach verbotenen Akten stöberst! Ich bezweifle, dass die Wächter das gutheißen würden. Ich könnte sie beschwören, es zu vergessen. Ich kann uns schützen.«
Finn beugt sich hinunter und zieht seine Pistole aus dem Stiefel. »Das kann ich auch.«
»Aber nicht so! Das darfst du nicht tun!« Aufgebracht schlage ich mir die Hände vors Gesicht. »Ich werde nicht zulassen, dass du jemanden erschießt, nur um deinen Mut unter Beweis zu stellen. Ich werde heute Nacht ins Nationalarchiv einsteigen, ob du nun mitkommst oder nicht. Aber ich würde mich sehr über deine Hilfe freuen.«
»In Ordnung.« Finn seufzt, und wir gehen los. »Du bist wirklich wahnsinnig.«
Grinsend fasse ich nach seiner Hand. »Weißt du was? Das ist noch nicht einmal das erste Mal heute, dass ich so genannt werde.«
»Das bezweifle ich nicht.« Er drückt meine Hand und lässt sie gleich darauf wieder fallen. »Wir sollten besser vorsichtig sein. Wer weiß, wer um diese Uhrzeit noch wach und unterwegs ist.«
Ich blinzle die Gaslaterne über uns an, und die Flamme erzittert und erlischt und lässt die Straße im Dunkeln zurück. Vor uns geht die nächste aus und dann die danach. Ich nehme wieder Finns Hand. »Besser so?«
»Sehr viel besser«, sagt er mit tiefer, bewundernder Stimme. Er fährt mit den Lippen über meine. »Sollen wir noch einmal den Plan für Mittwochabend durchgehen?«
Ich erzähle ihm, was wir genau vorhaben, doch als ich zu der Stelle komme, wo es darum geht, uns und der Kutsche einen anderen Anschein zu verleihen, unterbricht mich Finn. »Ich kann Denisofs Kutsche leihen. Das wird ziemlich leicht sein, während er bei der Sitzung ist, und sie trägt das Zeichen der Bruderschaft. Das wäre also schon einmal eine Illusion weniger, um die ihr euch kümmern müsst.«
Es ist ganz still in der Stadt. Um diese späte Uhrzeit rattern keine Wagen mehr an uns vorbei, und auch die Bürgersteige sind leer. Ohne das Licht der Gaslaternen sind sogar die Sterne am Nachthimmel zu erkennen. »Ich kann dich doch nicht eine Kutsche für uns stehlen lassen. Was ist, wenn sie kaputtgeht, oder …«
»Leihen«, unterbricht mich Finn. »Und ich werde sie selbst fahren, denn ich komme mit. Ihr müsst so tun, als wärt ihr Brüder, aber ich werde ein echter sein.« Er deutet auf seinen schwarzen Umhang, seine Stimme ist verbittert.
Ich lache, um ihn aufzuheitern. »Ich würde dich ja gerne davon abhalten, aber ich nehme an, das ist nicht
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