Töchter des Mondes - Sternenfluch (German Edition)
wir sehen den Mädchen hinterher, die sich auf Zehenspitzen wieder in ihre Zimmer schleichen. Am Ende des Flurs ist die Tür zu Schwester Coras Zimmer fest geschlossen. Sophia sagte, sie könne jeden Moment von uns gehen. Ich schließe die Augen und schicke ein Stoßgebet zum Himmel, dass sie schnell und friedlich stirbt.
Als alle Mädchen verschwunden sind, wendet sich Eugenia mir zu.
»Seit wann sind Elena und du eigentlich solche Busenfreundinnen?«, fährt sie mich an.
»Ich … was?«
Ihr Mund dehnt sich wie bei einem Ungeheuer im Märchen, und ich schrecke zurück. Eugenias glatte braune Haare verfärben sich leuchtend rot, ihre braunen Augen werden stechend blau, und ihre unreine Haut wird zu der glatten Haut meiner Schwester.
»Maura.« Entsetzt starre ich sie an und falle rückwärts gegen die grün geblümte Tapete. »Was hast du mit Eugenia gemacht?«
»Ach, Genie geht es gut«, winkt Maura ab. »Ich habe sie versteinert und in ihren Schrank gesperrt. Ich lasse sie in fünf Minuten wieder raus. Ich bin froh, dass ich zu deinem blöden Treffen kommen und herausfinden konnte, was Elena und du vorhabt. Sieh dir nur all diese Dussel an, wie sie um die Wette versuchen, dich zu beeindrucken!«
»Sie versuchen nicht, mich zu beeindrucken; sie tun, was sie für richtig halten«, erkläre ich.
»Du bist so scheinheilig, mir könnte schlecht werden.« Maura verschränkt die Arme über ihrem gerüschten blauen Nachthemd. »Ich kann es nicht fassen, dass du mit ihr zusammenarbeitest. Ich dachte, du könntest sie nicht leiden!«
Ich beiße mir auf die Unterlippe. »Sie hat dich gerne, weißt du das? Es tut ihr leid, dass sie dich verletzt hat.«
Maura starrt auf die Holzdielen. »Aber anscheinend nicht genug, um bei dieser Sache auf meiner Seite zu sein.«
»Zwei Menschen können unterschiedlicher Meinung sein und sich trotzdem gerne mögen«, erwidere ich.
»So wie du und Tess mich mögen?« Maura schüttelt den Kopf, dass ihre roten Locken nur so fliegen. »Nein. Ich bin bei dieser Sache auf mich allein gestellt. Ich sollte mich inzwischen wohl daran gewöhnt haben; ich bin immer alleine.«
»Das ist nicht wahr«, entgegne ich und stemme die Hände in die Hüften. »Hör auf, dich selbst zu bemitleiden.«
»Du kannst mich einfach nicht verstehen. Die Leute laufen dir ja in Scharen hinterher«, wirft Maura mir vor, und ich sehe sie erstaunt an. Bisher war ich doch immer die Eifersüchtige, die genau das über sie gedacht hat. »Ist Finn in diese Sache verwickelt?«
»Ja, ist er«, sage ich zögerlich. »Warum? Brauchst du noch mehr Informationen, mit denen du mich erpressen kannst?«
»Du solltest ihn da rauslassen. Das ist dein Kampf, nicht seiner.« Maura sieht mich mit ihren blauen Augen ernst an. »Er sollte daran keinen Anteil haben.«
»Tja, er hat aber darauf bestanden, und ich versuche, anderen nichts mehr vorzuschreiben. Aber irgendwie scheint es nicht immer so zu klappen, wie ich es vorhabe.« Ich lächle sie vorsichtig an. »Hör zu, ich weiß, dass du böse auf Tess und mich bist, aber diese Sache ist größer als wir. Diese Mädchen brauchen unsere Hilfe. Du kannst nicht wissen, was die Brüder ihnen antun werden, wenn du und Inez morgen Abend Erfolg habt.«
»Du kannst es genauso wenig wissen«, entgegnet Maura und spielt mit der weißen Spitze an ihrem Ärmel.
»Ich weiß, dass es schrecklich werden würde. Die Brüder würden ein Exempel an ihnen statuieren – sie würden sie foltern oder töten. Ich kann das einfach nicht zulassen.« Ich sehe sie flehentlich an. Sogar jetzt hoffe ich noch, dass sie zur Vernunft kommt, dass sie sich uns statt Inez anschließt. »Was auch immer die Brüder unternehmen werden, um zurückzuschlagen, es wird auf deine Kappe gehen, Maura. Auf deine und Inez’. Wirst du damit leben können?«
Maura starrt mich an. »Es ist ihre Entscheidung, wie sie darauf reagieren. Wenn sie die Hexenverbrennungen wieder einführen, werden die Leute endlich sehen, wie schlimm sie in Wirklichkeit sind. Die Brüder sind unsere Feinde, Cate. Wir können nicht mit ihnen zusammenarbeiten. Je eher du das begreifst, desto besser für dich.«
Harwood sitzt wie ein dunkles Ungeheuer auf dem Hügel und verbirgt die Sterne. Die vergitterten Fenster der oberen Stockwerke liegen in unheimlichen Schatten; nur in der Eingangshalle und dem Wohnzimmer der Krankenschwestern im Erdgeschoss leuchten ein paar Gaslampen. Vor Angst dreht sich mir der Magen um, als unsere Kutsche den
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