Töchter des Mondes - Sternenfluch (German Edition)
verschneiten Schotterweg zum Wachhaus hinauffährt. Elena, Rilla, Rory und ich haben nicht ein einziges Wort miteinander gesprochen, seit wir das Kloster verlassen haben. Der Schnee dämpft den Hufschlag der Pferde; die angespannte Stille wird nur durch das leise Knarren durchbrochen, wenn die Pferde sich in ihrem Geschirr bewegen.
Wir warten eine Ewigkeit, bis der Wächter mit scharfer, autoritärer Stimme etwas ruft und Finn ruhig und selbstbewusst antwortet. Mir gegenüber trommelt Elena mit ihren schwarzen Stiefeln einen unablässigen, ungeduldigen Rhythmus auf den Holzboden, und sie beugt sich vor, als wäre sie bereit, jede Sekunde Gedankenmagie anzuwenden. Rory hüpft wie ein Kind auf den Ledersitzen herum. Aber Finns neuer Amtsring und das Zeichen der Bruderschaft an der Kutsche haben offenbar sogar noch um diese späte Stunde Gewicht, denn kurz darauf hören wir das Quietschen der sich öffnenden Tore.
Ich bin aus eigenem Entschluss hier, doch trotzdem kann ich mich nicht gegen die irrationale Angst wehren, die albtraumhafte Vorstellung, dass die Tore hinter uns zufallen und wir gefangen sind.
Die Kutsche hält auf halbem Weg durch die Tore an. Ich öffne die Tür und lehne mich hinaus.
»Was gibt es, Sir?«, fragt der Wächter.
Lass das Tor offen. Halte niemanden auf, egal, wer kommt und geht , befehle ich ihm, und er taumelt mit schwankenden, trunkenen Schritten zurück zum Wachhaus.
Unsere Kutsche rollt den Hügel hinauf und bleibt schließlich vor dem Eingangsportal stehen. Ich springe hinaus und nehme mir einen Augenblick, um die neuen, harten Züge meines Gesichts und – das Seltsamste überhaupt: des braunen Backenbarts – abzutasten. Rillas Illusion ist immer noch perfekt.
Die Vorsteherin öffnet die Tür. Sie ist dick und gut gelaunt, hat blonde Locken und rote Hamsterbacken. »Guten Abend, Sirs«, sagt sie. »Ich bin Mrs Harris, die Nachtaufseherin. Kann ich Ihnen helfen?«
»Ja, wir würden gerne …« Meine Stimme ist viel zu hoch und weiblich, und ich huste.
»Wir kommen, um die Hellseherin einer Untersuchung zu unterziehen. Anweisung von Covington«, sagt Elena mit einer kräftigen Stimme, die zu ihrem jetzt beträchtlichen Körperumfang passt.
»Die Hellseherin?« Die blassen Augenbrauen der Aufseherin schießen bis zu ihrem Haaransatz hinauf.
Finn tritt vor. »Bruder Robbins«, lügt er und verneigt sich übertrieben. Elena hat auch ihm einen anderen Anschein gegeben, sodass niemand eine genaue Beschreibung von ihm abgeben kann. »Guten Abend, Madam.«
»Mir wurde niemand angekündigt, Sir. Es ist sehr spät. Die meisten Patientinnen sind bereits im Bett.«
Ich runzle die Stirn. Mir wäre es lieber, wir kämen so hinein und könnten uns die Gedankenmagie für später aufsparen. »Wir sind Tag und Nacht mit der Nationalratssitzung beschäftigt, aber Covington möchte gerne, dass wir einen Blick auf die Hellseherin werfen, ehe wir die Stadt wieder verlassen. Wir sind in Seelenkunde ausgebildet.«
Finn tritt vor und senkt die Stimme, als wolle er uns von unangenehmen Wahrheiten beschützen. »Ich habe gehört, dass die Brüder, die vor uns hier waren, mit der Patientin die Geduld verloren haben, weil sie nicht mit ihnen reden wollte.«
Mrs Harris sieht Finn beklommen an. »Es geht ihr nicht gut. Ich bitte um Verzeihung, Sir, aber es scheint mir nicht richtig, wenn die Vertreter des Herrn eine Frau so behandeln.«
Ich schaudere, als ich mir vorstelle, wie Brenna geschlagen wurde. Als wir Finn auf der Straße hinter dem Kloster getroffen haben, erzählte er mir, dass Brenna sich heute geweigert habe, mit den Brüdern zu sprechen, und dass sie folglich bestraft wurde. Was haben sie ihr angetan, dass Mrs Harris es wagt, dagegen aufzubegehren?
»Sie vergessen sich. Das Mädchen ist eine verdammte Hexe«, fährt Finn sie an. Seine Stimme ist härter, als ich sie jemals vernommen habe. »Sie ist eine Schande und eine Gefahr für Neuengland, und es ist nur durch unsere Gnade , dass …«
»Verzeihen Sie. Ich wollte Ihr Urteil nicht infrage stellen, Sir.« Die Aufseherin sieht ihn verängstigt an. Finn deutet auf den Boden, und sie kniet sich mit knackenden Knien auf die kalten Steinstufen.
Finn legt ihr eine Hand auf die gekräuselte weiße Haube. »Der Herr segne dich und behüte dich heute und den Rest deiner Tage.«
Ich schrecke zurück, als ich die Worte der Bruderschaft aus seinem Mund höre.
Oh, es muss entsetzlich für ihn sein, das zu tun. Es ist entsetzlich für mich, es
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